Wednesday Lecture
20 Apr 2016 · 7.00 pm

Hannah Baader (Florenz): Laden, tauschen, übersetzen. Praktiken und Ästhetiken an den Schwellen zwischen Land und Meer

Venue: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum
Research project(s): Batumi, Odessa, Trabzon

Program

In seinem Film The Forgotten Space (2010) hat der Künstler und Filmemacher Allan Sekula die Bedingungen der Arbeit und des Warenstransports auf den großen transkontinentalen Containerschiffen beschrieben. Einer der Ausgangspunkte seiner Arbeit ist der Hafen von Los Angeles, San Pedro, einer der größten Containerhäfen der Welt. Sekulas künstlerisches Werk gilt den »Imaginary and Material Geographies« der Gegenwart. In diesen Geographien sind Container, Schiffe und Hafenanlagen als Orte des Speicherns und Lagerns materieller Kultur definiert, sie sind Schaltstellen für Transfervorgänge, die materielle Kultur ermöglichen, sie selbst aber sind weitgehend vergessene Räume, belebt, betrieben und ermöglicht von vergessenen Akteuren. Mit ihren scheinbar geschichtslosen Architekturen spiegeln diese Räume und Biographien zugleich in größter Deutlichkeit gegenwärtige geopolitische Konstellationen.

In historischen Hafenstädte, in denen sich Hafenanlagen mit urbanen Räumen verbinden, zeugen diese als Orte der Lagerns, Speichers und Übersetzens zugleich von Geschichte, sie zeugen von historischen Ästhetiken, Praktiken des Transfers und den Verschiebungen innerhalb dieser. Als Schwellenräume des Übergangs zwischen Land und Meer sind sie von eigener Urbanität, mit entsprechenden Repräsentationen wie Imaginationen. Sie stehen unter spezifischen rechtlichen Vorgaben und sind als Orte zu verstehen, von denen her sich Geographien neu schreiben und definieren. Zu ihnen gehören etwa Städte wie Istanbul, positioniert am Übergang von Schwarzem zum Mittelmeer, Marseille, oder auch Livorno. Der Vortrag wird diesen Fragen unter anderem am Beispiel der zuletzt genannten Stadt nachgehen. Der Ort entstand aufgrund ökologischer und geopolitischer Neu-Konstellationen, die sich mit der osmanischen und der europäischen Expansion ergaben. Gefragt wird nach den spezifischen Ökologien der Stadt, ihrem Verhältnis zum Naturraum des Meeres, aber auch nach den matriellen Übersetzungsvorgängen eines Stadt- und Naturraumes in Bilder und Repräsentationen.

Hannah Baader ist Permanent Senior Research Scholar am Kunsthistorischen Institut in Florenz - Max-Planck-Institut. Seit 2009 leitet sie gemeinsam mit Gerhard Wolf und Avinoam Shalem das Forschungsprogramm Art, Space, Mobility in Early Ages of Globalization. The Mediterranean, Central Asia and The Indian Subcontinent 400–1650 und seit 2013 das Programm Art Histories and Aesthetic Practices am Forum Transregionale Studien in Berlin. Außerdem ist sie Ko-Direktorin des Forschungs- und Stipendienprogramms Connceting Art Histories in the Museum. The Mediterranenan and Asia, ein gemeinsames Projekt der Staatlichen Museen zu Berlin und des Kunsthistorischen Instituts Florenz. Aktuell forscht sie zu maritimen Dimensionen von vormodernen globalen Austauschprozessen sowie zur Kunst und Ikonologie des Meeres.
Webseite von Hannah Baader am KHI

Der Vortrag ist zugleich der öffentliche Start des Forschungsprojektes Batumi, Odessa, Trabzon. Kulturelle Semantik des Schwarzen Meeres aus der Perspektive östlicher Hafenstädte (gefördert von der VolkswagenStiftung 2016–2018). Nach einem Grußwort von Eva Geulen, der Direktorin des ZfL, wird Franziska Thun-Hohenstein das Projekt kurz vorstellen. Im Anschluss folgt der Vortrag von Hannah Baader, der von Zaal Andronikashvili moderiert wird.

Abb.: Allan Sekula, Fish Story, 1989-1995, Quelle: cgrimes-news.blogspot.de