Workshop
10.10.2011 – 11.10.2011 · 10.00 Uhr

Freundschaft. Konzepte und Praktiken in der Sowjetunion und im kulturellen Vergleich

Ort: Staatliche Ilia-Universität Tbilissi, Kakutsa Cholokashvili 3/5, Tbilissi 0162, Georgien
ZfL-Projekt(e): Das europäische Subjekt

Programm

Gemeinsamer Workshop des ZfL und der Staatlichen Ilia-Universität Tbilissi

Eines der zentralen Konzepte, auf das sich die Sowjetunion in ihrem Selbstverständnis als neue Zivilisation berief, war das Konzept der "Völkerfreundschaft" (družba narodov). Über den naheliegenden Zusammenhang mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik (insbesondere stalinscher Prägung) hinaus verweist es auf die propagierte sowjetische Ethik - die Gleichheit aller Sowjetbürger nach der Abschaffung der Klassengesellschaft. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wird dieses Modell des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bezogen auf den Raum der Sowjetkultur vor allem als machtpolitische Strategie bzw. in seiner mythenhaften Dimension betrachtet.

Anliegen des Workshops ist es, ausgehend vom sowjetischen Freundschaftsbegriff unterschiedliche Facetten und Implikationen der Freundschaft im interkulturellen Vergleich zu diskutieren. So haben Länder und Regionen im Süden und Osten Europas (wie Georgien) beispielsweise die Gastfreundschaft als kulturelle Praktik zu ihrem "Markenzeichen" erklärt. Die Art und Weise, wie die Gastfreundschaft in Literatur und Kunst verhandelt bzw. repräsentiert wird, ist ein Indiz für die nachhaltige Bedeutung des Paradigmas, das bis in aktuelle Konflikte und juristische Diskurse (wie etwa die Frage nach dem Gastrecht oder das ethnisch begründete Restitutionsgesetz im heutigen Abchasien) hineinreicht.

Gefragt wird u. a. nach den politischen Implikationen des Freundschaftsbegriffs, nach der Übertragung des interpersonellen Konzepts Freundschaft auf Völker im (sowjetischen) Konzept der Völkerfreundschaft, nach Politisierungsstrategien, nach unterschiedlichen Praktiken der (Gast-)Freundschaft (u. a. im Kontext der Derridaschen Ethik oder der Positionen von C. Schmitt, P. Klossowski oder M. Mauss) oder etwa nach der Bildung formeller und informeller Netzwerke in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten. Schwerpunktmäßig im 20. und 21. Jahrhundert angesiedelt, wird im Rahmen des Workshops auch die Genese der (sowjetischen) Konzepte und Praktiken der Freundschaft aus der Antike bzw. der Vormoderne thematisiert.

Der Workshop findet in englischer Sprache statt.

Teilnehmerinnen/Teilnehmer (Stand: 07. Juli 2011):
Zaal Andronikashvili, Franziska Thun-Hohenstein, Martin Treml, Stefan Willer (ZfL), Giorgi Maisuradze (Berlin), Susanne Frank (HU Berlin), Thomas Grob (Basel), Giga Zedania (Tbilissi)

Publikationen

Zaal Andronikashvili, Susanne Frank, Giorgi Maisuradze, Franziska Thun-Hohenstein, Stefan Willer

Freundschaft
Konzepte und Praktiken in der Sowjetunion und im kulturellen Vergleich

Interjekte 2
2011, 47 Seiten
DOI 10.13151/IJ.2011.02