Workshop
09 Jul 2009 · 10.30 am

Das 'Nationale' und das 'Imperiale' (Russisches Reich und Sowjetunion)

Venue: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., R. 303
Research project(s): Aporias of Forced Modernization

Program

In den gewaltsamen Konflikten, die sich seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion entluden haben, hat sich gezeigt, daß der offiziellen sowjetischen Rhetorik von Gleichberechtigung und „unverbrüchlicher Freundschaft“ zwischen den Völkern der Sowjetunion eine politische Realität gegenüberstand, die ungelöste nationale Spannungen barg. In der Forschung überwiegen bislang historische und politikwissenschaftliche Untersuchungen dieser Problemlagen. Weniger erforscht sind die bis in die Gegenwart wirksamen kulturellen Semantiken, die mit der Etablierung der ‚Nation’ bzw. der ‚Nationalität’ als einem zentralen Ordnungsprinzip des Sowjetimperiums einhergingen. Deren kulturgeschichtliche Genese zu untersuchen, lenkt den Blick auf diskursive, ikonographische und symbolische Repräsentationen des Nationalen in der Sowjetunion. An paradigmatischen Konstellationen und Gegenstandsfeldern untersucht der Workshop Figurationen des Nationalen, wobei der Schwerpunkt auf der Stalin-Zeit liegen soll.

Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Wie wurde der nationale Kanon in der Stalin-Zeit etabliert? Welche Elemente wurden aus den russischen imperialen Diskursen übernommen? Auf welche Art und Weise wurden die nationalen Narrative in unterschiedlichen Medien (Literatur, Film, bildende Kunst) rhetorisch bzw. visuell dargestellt? Welche hierarchischen Relationen entstanden dabei (Nation vs. „malye narody“; „alte“ vs. „junge“ Kulturen)? Kann man von einem Arsenal fester Attribuierungen bzw. Rollenzuschreibungen sprechen? Mit welchen Strategien wurden kulturelle Integrationsfiguren geschaffen, die nationale und sowjetisch-imperiale Identifikationsmuster bedienten? Wie wurde Stalin als „Vater der Völker der Sowjetunion“ inszeniert? Welche Rolle spielte das Verhältnis zwischen Religion und nationaler Spezifik?

Programm:

10.30–10.45
Begrüßung und kurze Einführung: Franziska Thun-Hohenstein

10.45–11.45
Susi Frank (HU): Imperial ‚Integration’ of Nationalities: The Soviet space as space of time (Obuchev, Sel’vinskij)

11.45–12.45
Harsha Ram (Berkeley): National Mythopoesis: Georgian Modernism, the National Question and Socialist Realism

14.00–15.00
Franziska Thun-Hohenstein (ZfL): Die Kartierung des literarischen Sowjetimperiums (am Beispiel des 1. Kongresses sowjetischer Schriftsteller von 1934)

15.00–16.00
Giorgi Maisuradze(ZfL): Stalins Forcierung des georgisch-nationalen Diskurses nach 1945 (Stalins Treffen mit georgischen
Historikern)

16.15–17.15
Film „Das Salz Swanetiens“ (M. Kalatozov, 1930, ca. 53 min, mit engl. Untertiteln)

17.15
Irina Sandomirskaja (Stockholm): Die visuelle Konstruktion des ‚Anderen’ im frühsowjetischen Film
Abschlussdiskussion