Foucault liest Darwin. Fragen an eine heimliche Referenz
Program
Zum Vortrag
Michel Foucault hat Saussures Linguistik
kühl zurückgewiesen, wenn es um Diskursanalyse ging; er hat sich
geweigert, das Subjekt mit Freud und Lacan zu denken, und Hegels
Geschichtsphilosophie war ihm ebenso verhasst wie Sartres Humanismus.
Feuerbachs Anthropologie erschien ihm naiv, der Marxismus war zur
Machttechnologie verkommen, und die Phänomenologie fungierte als der
unmittelbare philosophische Gegner. Gab es keine positiven Referenzen?
Dass er am Ende seines Lebens auf Heidegger als den für ihn „wichtigsten
Philosophen“ verwies, ist mit seinem Werk eher ex negationis in
Einklang zu bringen. Kant hingegen scheint seine „Archäologie“
inspiriert zu haben, ohne dass dessen Vernunftphilosophie für ihn noch
anschlussfähig war. Wer blieb? Ein sehr eigenwillig gelesener Nietzsche,
und mit ihm anfänglich noch ein paar französischer Surrealisten,
zusammen mit der schwarzen Sonne de Sades.
Der Vortrag vertritt die
These, dass damit Foucaults philosophische „Ausgangsbedingungen“ noch
nicht hinreichend beschrieben sind und dass sich Foucaults Denken
wesentlich aus einer anderen, bislang kaum beachteten Referenz speist:
dem genealogischen Denken Charles Darwins. Diesem verdankt Foucault
mehr, als das die verstreute Handvoll seiner Bemerkungen zu Darwin
erahnen lassen: Vielleicht war kein anderer als Charles Darwin Foucaults
„historisches Apriori“.
Zur Person
Philipp
Sarasin (*1956) ist Professor für Neuere Geschichte an der
Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität
Zürich und Mitglied des Zentrums „Geschichte des Wissens“ der
Universität und der ETH Zürich. Arbeitsgebiete: Geschichte des Wissens,
die Theorie der Geschichtswissenschaft, Körper- und
Sexualitätsgeschichte.
Publikationen (Auswahl)
- Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870–1920 (Mithg., Frankfurt a.M. 2006)
- Michel Foucault zur Einführung (Hamburg 2005)
- „Anthrax“. Bioterror als Phantasma (Frankfurt a.M. 2004)
- Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse (Frankfurt a.M. 2003)
- Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914 (Frankfurt a.M. 2001).