AKTUELLE BEITRÄGE IM ZfL BLOG
- Eva Geulen über ihre liebsten ersten Sätze (29.01.2021)
- Moritz Neuffer über die Germanistin, Publizistin und Kulturhistorikerin Hildegard Brenner (14.01.2021)
- Marita Tatari im Gespräch mit Jean-Luc Nancy (14.12.2020)
- Barbara Picht zu Aby Warburg, Reproduktion und Original (07.12.2020)
»What makes a great magazine editor?«, fragte der britische Literaturwissenschaftler Matthew Philpotts kürzlich in einem Essay für Eurozine und stellte eine Typologie von Herausgebertypen auf, die in der Intellektuellengeschichte des 20. Jahrhunderts bedeutende Rollen spielten. In dieser Typologie finden sich charismatische und ›performative‹ Leitfiguren wie Herwarth Walden (Der Sturm) oder Karl Kraus (Die Fackel), nüchterne und bescheidene Verwalter wie Carl von Ossietzky (Die Weltbühne) oder Herbert Steiner (Corona), aber auch Jongleure zwischen diesen Extremen wie Peter Suhrkamp (Neue Rundschau) oder Jean Paulhan (Nouvelle Revue Française). Der einzelgängerische Criterion-Herausgeber T.S. Eliot wird dem ›kollektiven‹ Stil von Sartres Les Temps Modernes gegenübergestellt, während Thomas Mann als Co-Herausgeber von Mass und Wert wiederum dazwischen steht. Der Kanon der ›großen‹ verlegenden Männer legt den Gedanken nahe, dass Hildegard Brenner (*1927) in der intellektuellen Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts eine Ausnahmeerscheinung darstellte.
https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2021/01/14/moritz-neuffer-prekaere-theorie-oder-wer-ist-hildegard-brenner/
VOM GEIST DER EPOCHENWENDE. Marita Tatari im Gespräch mit Jean-Luc Nancy
Marita Tatari: Lieber Jean-Luc, du sprichst seit Jahren nicht nur von einer Epochenwende*, sondern von einer tiefgreifenden Transformation unserer westlich-globalen Zivilisation, sogar von einer Mutation, in ihren Ausmaßen dem Ende der antiken Welt vergleichbar. Auf dem Spiel stehe bei dieser Mutation demnach ein Geist, ein neuer Geist.
Der Geist des christlichen Europa fand den Wert des Lebens, indem er es mit einer Transzendenz verband. Auf ihn folgte der Geist der Produktion, der das Leben auf die Zukunft projizierte und seinen Wert in dem fand, was Marx »Äquivalenz« genannt hat. Dieser Geist der Produktionswelt hat sich heute erschöpft, und mit ihm das Vertrauen auf den Fortschritt und die beherrschte Geschichte. Wir befinden uns in dieser Erschöpfung und können uns nicht vorstellen, was kommen wird, denn unsere Vorstellung entstammt dem Geist der Produktion, aber das, worum es dir geht, ist ein anderer Geist.
Deine Betrachtung des Okzidents entspricht in mancher Hinsicht jener von Hannah Arendt in Vita activa. Sie spricht darin nicht von Geist, sondern vielmehr von der Geschichte als Geschehnis und Ereignisgeschichte; und so wie du spricht sie von einem Verhalten, von einer Art und Weise, sich zur Endlichkeit als menschlicher Grundbedingung zu verhalten. Aber für Arendt ist dieses Verhalten die Handlung und der Erscheinungsraum, die sie als politisch versteht, während für dich der Okzident selbst sich erschöpft hat. Wenn es also nicht darum geht, sich vorzustellen, was kommt, sondern – wie du in deinem letzten Buch La peau fragile du monde schreibst – um eine Praxis, ein Ethos, eine gelebte und lebendige Disposition, die wir ohne es zu wissen bereits kennen und die von der brauchenden und gebrauchenden Logik der Produktion abweicht: Worauf berufst du dich, um diese Unterscheidung zu treffen? Vielleicht könntest du uns erklären, warum du auf den Begriff des Geists bestehst?
https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2020/12/14/vom-geist-der-epochenwende-marita-tatari-im-gespraech-mit-jean-luc-nancy/
Barbara Picht: ABY WARBURG, DIE REPRODUKTION UND DAS ORIGINAL
Bis Ende Oktober 2020 waren in Berlin zwei bemerkenswerte, aufeinander bezogene Ausstellungen zu sehen. Unter dem Titel »Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne. Das Original« zeigte das Haus der Kulturen der Welt Warburgs Bilderatlas, wie ihn die Kuratoren Roberto Ohrt und Axel Heil anhand der letzten dokumentierten Version vom Herbst 1929 unter Nutzung von Warburgs originalem Bildmaterial wieder hergestellt haben. Eindrucksvoll wurden die 63 großen Tafeln mit insgesamt 971 Abbildungen in dem abgedunkelten Ausstellungsraum präsentiert, in der Aufstellung an die charakteristische Ellipsenform des Lesesaals der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (KBW) erinnernd. Wer sich nach dem Besuch dieser Ausstellung auf einen spätsommerlichen Gang durch den Tiergarten machte, konnte anschließend in der Gemäldegalerie 50 der insgesamt etwa 80 Werke, die Warburg in den Bilderatlas aufgenommen hatte und die sich im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin befinden, im Original sehen. Darunter neben Gemälden auch Skulpturen, Münzen, Briefmarken und ein Reklameplakat.
Der ZfL BLOG ist 2017 aus dem Arbeitskreis Bloggen in den Geisteswissenschaften am ZfL hervorgegangen. Die Rubrik AD HOC reagiert auf aktuelle Debatten; EINBLICK versammelt Beiträge aus laufenden Forschungsprojekten; LEKTÜREN liefern genau das; SAG MAL! präsentiert die Menschen, die hinter der Forschung stecken. Außerdem enthält der Blog Beiträge zu unseren JAHRESTHEMEN. Die Beiträge des Blogs, die in unregelmäßigen Abständen erscheinen (ca. 30 pro Jahr) stammen vor allem von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ZfL, aber auch von Gästen und Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland. Die meisten der Beiträge sind auf Deutsch, einige auf Englisch verfasst.
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