Erzählen ohne Ende? Zur deutschsprachigen Literatur und Literaturwissenschaft nach 1945

Bei der Lektüre von deutschsprachiger Literatur nach 1945 stößt man auffällig oft auf eine thematische und/oder strukturelle Auseinandersetzung mit dem Ende(n). Thomas Bernhards Erzählungen zum Beispiel sind voller immanenter Enden und kommen gerade deswegen an kein finales Ende. Pauschal von einem Finalitätsproblem der Texte zu sprechen, reicht jedoch nicht aus, um die Komplexität literarischer Bezugnahmen auf das Ende(n) verstehen zu können. Die (literaturwissenschaftliche) Rede von der Finalitätsproblematik ist zudem selbst wiederum Bestandteil eines historisierbaren Ende-Diskurses.

Die Omnipräsenz des Ende(n)s in literarischen Texten nach 1945 bildete den Ausgangspunkt für eine systematische und historische Untersuchung der Ende-Thematik. Als Textkorpus fungierten Erzählungen, die auf unterschiedlichen Ebenen am Diskurs über das Ende(n) teilhaben. In einem ersten Schritt wurde im Projekt die Bedeutung und Funktion des Ende(n)s in vorwiegend narrativen Texten untersucht und daran anschließend eine historische Entwicklung innerhalb der literarischen Thematisierung des Ende(n)s belegt. In einem zweiten Schritt wurde systematisch nach der Problematisierung des Ende(n)s in der Literaturwissenschaft gefragt und die Fokussierung auf das Ende(n) historisch verortet. Durch eine mehrdimensionale Kritik an der Zuordnung von Finalitätsproblematik und Gegenwartsliteratur wurde in Folge ein neuer Zugang zur sogenannten Gegenwartsliteratur eröffnet.

2015–2016
Leitung: Natalie Moser

Publikationen

Natalie Moser

  • Erzählen nach der Krise des Erzählens. Zu Josef Haslingers Erzählung »fiona und ferdinand« (2006), in: Marie Schoeß, Marko Zejnelovic, Laura Kohlrausch (Hg.): Krise. Mediale, sprachliche und literarische Horizonte eines viel zitierten Begriffs. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018, 187–204
  • Angebot ohne Nachfrage. Die strukturelle Endlosigkeit des Krisen-Diskurses am Beispiel von Kathrin Rögglas »der übersetzer« (2010), in: Nicole Mattern, Timo Rouget (Hg.): Der große Crash. Wirtschaftskrisen in Literatur und Film. Würzburg: Königshausen & Neumann 2016, 305–320
  • Die Letzten oder die Ersten? Katja Lange-Müllers prospektives Erzählen vom Ende(n), in: Aneta Jachimowicz, Alina Kuzborska, Dirk H. Steinhoff (Hg.): Imaginationen des Endes. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang 2015, 411–427