Antrittsvorlesung an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
04.05.2021 · 18.15 Uhr

Barbara Picht: Literatur und Recht. Zeugnisliteratur im 20. Jahrhundert

Ort: online via Zoom

Zugrunde liegt diesem Thema eine auffällige Parallelität in jenen Texten, die Zeugnis ablegen über die Extreme des 20. Jahrhunderts, über Shoah, Lagerhaft, Foltererfahrung oder den Gulag. Wir lesen sie als Schilderungen von Überlebenden, die Leid und Terror erfahren haben. Sie sind zu symbolischen Texten für das 20. Jahrhundert geworden, weil sie Erinnerung an kaum Aussprechbares bewahren.

Eindringlich beschreiben sie zugleich einen Vorgang, der sie alle trifft und der etwas mit dem Wesen des Rechts zu tun hat: mit seiner Einschränkung, mit der Verletzung und Zerstörung des Rechtsstatus des Individuums. Wie sich diese Verletzung vollzieht, welches Ausmaß sie annehmen kann, aber auch, wie wenig notwendig ist, um den Rechtsstatus eines Menschen zu verändern, ist Thema fast aller dieser Texte – so unterschiedlich die historischen Kontexte und Erfahrungen im Einzelnen sind.

Es geht den Autorinnen und Autoren um den über ihr eigenes Schicksal hinausweisenden Zusammenhang von körperlicher Unversehrtheit und Recht, von Freiheit und Recht sowie von Gegenseitigkeit und Recht. Sie schildern, in welch konkretem und zugleich grundlegendstem Sinn mit dem Rechtsstatus eines Individuums zugleich das Rechtsprinzip angetastet, verletzt, zerstört wird, auf dem das Selbstsein und mit ihm in einem interpersonalen Sinn das Menschsein beruht.

Die Vorlesung fragt nach dem rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Gehalt beispielhaft ausgewählter Zeugnisliteratur des 20. Jahrhunderts.

Anmeldung unter: elange@europa-uni.de

Die Historikerin Barbara Picht ist Leiterin des Programmbereichs Theoriegeschichte und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen. Lexikon zur politisch-sozialen und kulturellen Semantik in Deutschland.