Vortrag
21.10.2020 · 18.00 Uhr

Marita Tatari: »Denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht« – Zum gegenwärtigen Wandel des Neuen in den Künsten

Ort: Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, Campus Gegenwart, Orchesterprobenraum

Vortrag im Rahmen der Reihe »Wissenschaft am Abend« im Campus Gegenwart

Die Kraft, mit der eine Kunstpraxis im Raum der Öffentlichkeit ein Ereignis in der Gegenwart über das Gegebene hinaus sein konnte, ließ sich bis Anfang des 21. Jahrhunderts noch auf der Grundlage der Form verstehen: als Überwindung, Sprengen, Unterlaufen älterer Formen. Das Neue, das die Künste auf der Ebene der Form und damit auf der Ebene der ästhetischen Konstitution und Empfindung einführten, wurde als Veränderung rezipiert, die sich potenziell auf einen politischen Horizont projizieren ließ, und die zugleich als Aktualität in die Realität der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse eingriff. Dieser Diskurs erfasst aber längst nicht mehr die Gegenwartssituation. Es gibt heute kein »post« – postmodern, postdramatisch, posthuman, postcontemporary –, das auf eine Kunsttradition einerseits und auf eine Politik als Horizont dieser Tradition andererseits entscheidend angewiesen wäre. Denn was heute auf dem Spiel steht, ist genau das: Die Adressierung eines autonomen »wir«, das kein Ganzes formt und auf kein Ganzes verweist. Ein »wir«, das nicht »unseres« ist; das aber, über das Gegebene hinausgehend, nichtsdestotrotz uns in Anspruch nimmt – uns der Transformation von Veränderung, dem change of change aussetzt.

Weiterführende Informationen auf der Veranstaltungsseite.

Marita Tatari ist Feodor Lynen-Forschungsstipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung mit dem Projekt Hannah Arendt, Friedrich Heinrich Jacobi und die Grenzen von Kunst unter postkolonialen Bedingungen. Zur Aktualität einer unwahrscheinlichen Verbindung.