Kult der Dinge

In seiner Einführung in den Band Vom Eigensinn der Dinge (2015) hat der Frankfurter Ethnologe Hans Peter Hahn die aktuelle Dingforschung kritisiert: Sie habe sich in zwei gegensätzliche Extreme entwickelt, so dass es sowohl zu einer Unter- als auch zu einer Überbewertung der Dinge komme. Seither lässt sich eine massive Zunahme der zweiten Entwicklung beobachten, der Überbewertung von Dingen. Sei es in Form von »Tagungen über Wissensdinge«, »Moralische Dinge« und »Working on things«, durch Ausstellungen zu »Object lessons« oder Festivals zum »Theater der Dinge«: die Dinge sind quer durch die Disziplinen und Medien im Kommen und scheinen überall zu hausen. Selbst Historiker haben die Dinge für sich entdeckt und hoffen, von ihnen ausgehend die auf Texten beruhende Geschichte neu zu schreiben. Während manche Disziplinen ganz selbstverständlich mit Dingen zu tun haben (wie Archäologie, Ethnologie, Kunst- und Wissenschaftsgeschichte sowie die Religionswissenschaften) ist die Aufnahme der Dinge in die Textwissenschaften eher überraschend. Sind lesbare Texte auch Dinge bzw. können sie wie Dinge behandelt werden? Und wenn ja, wozu? Oder ist hier ein Kult der Dinge am Werk?

Hahn plädiert für einen sensiblen Blick auf die Dinge, die nicht nur bedeutend, sondern auch randständig, hybride, vieldeutig, veränderlich oder unsichtbar sein können. Statt Dinge mit zu viel oder zu wenig Sinn aufzuladen, sollte man sich auch ihrer Bedeutungslosigkeit zuwenden und nach ihrem Eigensinn suchen. Die Arbeitsgruppe versuchte, die diskursiven Grundlagen der aktuellen Ding-Konjunkturen nachzuvollziehen. Ziel war es, zu verstehen, wie der Eigensinn der Dinge erforscht wird und wann es zu einem Kult der Dinge kommt. Die Ergebnisse wurden im ZfL Blog publiziert.

Sommersemester 2016 und Wintersemester 2016/2017
Leitung: Margarete Vöhringer

 

Siehe auch:

  • ZfL Blog
    Blog des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin