Dr. Irina Scherbakowa
Honorary Member des ZfL, Publizistin und Übersetzerin
Zur Person / Vita
Irina Scherbakowa ist Germanistin und Historikerin. Sie forscht zu Oral History, Totalitarismus, Stalinismus, Gulag und sowjetischen Speziallagern auf deutschem Boden nach 1945, Fragen des kulturellen Gedächtnisses in Russland und der Erinnerungspolitik. Ende der 1970er Jahre begann Scherbakowa ihre Sammlung von Tonbandinterviews mit Opfern des Stalinismus. Seit 1991 forscht sie in den Archiven des KGB. Nach ihrer Arbeit als Redakteurin für die Zeitschriften Sowjetliteratur, Literaturnaja gaseta und Nesawissimaja gaseta war sie Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, am Institut für die Wissenschaft vom Menschen Wien, Gastprofessorin an der Universität Salzburg und von 1996–2006 Dozentin am Zentrum für Oral History der Russischen Staatsuniversität für Geisteswissenschaften in Moskau.
Bis zu deren endgültigem Verbot im Februar 2022 war Scherbakowa Mitarbeiterin der Internationalen Gesellschaft für Historische Aufklärung, Menschenrechte und Soziale Fürsorge Memorial (Moskau), die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie war außerdem Projektleiterin des allrussischen Schülerwettbewerbs »Der Mensch in der Geschichte. Russland im 20. Jahrhundert«. Scherbakowa ist Mitglied des Kuratoriums der Gedenkstätte Buchenwald in Weimar, der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Vorstandsmitglied der Marion-Dönhoff-Stiftung. 1994 wurde sie mit dem Deutschen Katholischen Journalistenpreis, 2005 mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und 2014 mit dem Carl von Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik ausgezeichnet. 2022 erhielt sie den Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung, 2024 den Hambacher Freiheitspreis 1832. Seit 2010 ist Irina Scherbakowa Honoray Member des ZfL.
Veranstaltungen mit Irina Scherbakowa am ZfL
- Podiumsdiskussion, 5.7.2017
1917 … 2017. Gedenken an Revolution und Terror im öffentlichen Raum. Podiumsgespräch mit Irina Scherbakowa und Andrij Portnov - Mittwochsvortrag, 24.6.2015
Memorial und die Chancen der russischen Zivilgesellschaft
Publikationen
Monographien (Auswahl)
- Russland und Deutschland. Aspekte einer wechselvollen Beziehung. Stuttgart: Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 39, 2020.
- Die Hände meines Vaters. Eine russische Familiengeschichte. München: Droemer Knaur 2017
- Der Russland Reflex. Einsichten in eine Beziehungskrise. Hamburg: Edition Koerber-Stiftung 2015 (mit Karl Schlögel)
- Zerrissene Erinnerung. Der Umgang mit Stalinismus und Zweitem Weltkrieg im heutigen Russland. Göttingen: Wallstein 2010
- Nur ein Wunder konnte uns retten. Leben und Überleben unter Stalins Terror. Frankfurt a.M./New York: Campus 2000
Herausgaben (Auswahl)
- Für immer gezeichnet. Die Geschichte der ›Ostarbeiter‹ in Briefen, Erinnerungen und Interviews. Berlin: Ch. Links Verlag 2019 (mit Memorial, Heinrich-Böll-Stiftun
g) - Carola Neher. Gefeiert auf der Bühne – gestorben im Gulag. Kontexte eines Jahrhundertschicksals. Berlin: Lukas Verlag 2016 (mit Reinhard Müller, Bettina Nir-Vered und Olga Reznikova)
- Gulag. Texte und Dokumente 1929–1956. Göttingen: Wallstein 2014 (mit Julia Landau)
- Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929–1956. Göttingen: Wallstein 2012 (mit Volkhard Knigge)
- Unruhige Zeiten. Lebensgeschichten aus Russland und Deutschland. Hamburg: Körber Stiftung 2006
- Russlands Gedächtnis. Jugendliche entdecken vergessene Lebensgeschichten. Hamburg: Körber 2003
Aufsätze (Auswahl)
- Nachbemerkung, in: Wassilij Grossman: Die Hölle von Treblinka. Wien: New Academic Press 2020
- 1917–1937–2007. Das Erbe des Stalinismus, in: Norbert Schreiber (Hg.): Russland. Der Kaukasische Teufelskreis oder die lupenreine Demokratie. Klagenfurt: Wieser 2008, 339–353
- Kontinuität oder Rückkehr? Bildzeugnisse des Stalinismus, in: Hans-Jörg Czech, Nikola Doll (Hg.): Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945. Dresden: Sandstein 2007, 450–456
- Erinnerung in der Defensive. Schüler in Russland über Gulag und Repression, in: Osteuropa. Das Lager schreiben 57, 6 (2007), 409–420
- Tschetscheniens Gedächtnis, in: Memorial, Heinrich-Böll-Stiftun
g (Hg.): Zu wissen, dass du noch lebst. Kinder aus Tschetschenien erzählen. Berlin: Aufbau 2006, 13–24 - Unsere Sechziger, in: Jürgen John, Dirk van Laak, Joachim von Puttkamer (Hg): Zeitgeschichten. Miniaturen in Lutz Niethammers Manier. Essen: Klartext 2005, 226–237
Foto: © Matthias Stief