Aurélia Kalisky (Hg.)
Aus dem Jiddischen von Almut Seiffert und Miriam Trinh. Einleitung und Nachwort von Aurélia Kalisky

Salmen Gradowski: Die Zertrennung
Aufzeichnungen eines Mitglieds des Sonderkommandos

Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, 354 Seiten
ISBN 978-3-633-54280-2

Salmen Gradowski war ein Mitglied des »Sonderkommandos« von Auschwitz – jener Gruppe (nicht nur) jüdischer Häftlinge, die die Opfer in die Gaskammern begleiten und deren Körper nach der Vergasung verbrennen mussten. Einige von ihnen notierten das Verbrechen in allen Einzelheiten und vergruben ihr Zeugnis auf dem Lagergelände. Der erste, unvollständige Teil von Gradowskis Aufzeichnungen, in einer Flasche versteckt, wurde 1945 auf dem Gelände des Vernichtungslagers Birkenau von Soldaten der Roten Armee gefunden und 1969 in Warschau erstmals veröffentlicht. Den zweiten Teil – in einer Dose versteckt – verkaufte ein polnischer Finder dem in Auschwitz lebenden Chaim Wollnerman, der 1947 nach Palästina auswanderte und das Zeugnis erst 1977 im Privatdruck veröffentlichte. Sämtliche Texte Gradowskis erscheinen hier erstmals vollständig in deutscher Übersetzung.

Gradowskis Zeugnis ist von einer fast unerträglichen Akribie und Sprachkraft. Inmitten der Katastrophe, die er durchlebt, in dem Bewusstsein, sich nur an Gott und an eine Nachwelt richten zu können, versucht Gradowski, die eigene und die kollektive Erfahrung der Judenvernichtung als Menschheitsgeschehen zu deuten. Um der unversöhnlichen Trauer Stimme zu geben, greift er zurück auf das liturgische Repertoire wie Klagelieder oder apokalyptische Schriften, aber auch auf neujiddische Poesie. Die Vereinigung von literarischem Dokument und historischem Zeugnis macht Gradowskis Aufzeichnungen einzigartig.

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»Seine Schriften sind, wie die Herausgeberin Aurélia Kalisky schreibt, ›eine Art Ersatzgrab, besser: ein Kenotaph für die ermordeten Juden‹. Indem er alle Kraft daransetzte, das Unsagbare zu sagen, rettete er auch die Sprache.«
Thomas Schmid, Die Welt vom 27.01.2020
 
»Er schrieb des Nachts und völlig erschöpft auf seiner Pritsche, die er mit einem anderen Häftling teilte, von seinen Kameraden geschützt, und verbarg sodann die Manuskripte in diversen Behältern unter der Erde vor dem Krematorium, im Vertrauen, man würde seine Botschaft nach dem Untergang der Nazis auffinden, bekanntmachen, verbreiten und seiner gedenken. So geschah es. Nun liegt dieses sublime Meisterstück des Grauens in einer exzellenten Übersetzung vor, klug umrahmt von informativen Einleitungen und Erläuterungen der Herausgeberin, Aurélia Kalisky.«
Jeremy Adler, Neue Zürcher Zeitung vom 25.01.2020
 
»Die Einzelpublikation von Gradowskis Aufzeichnungen ist von unaufdringlicher Akribie, die umso mehr überzeugt, als sie sich ganz dem Textkorpus verpflichtet weiß. Die Aufzeichnungen wurden neu entziffert und aus dem Jiddischen übertragen – mit einem besonderen Augenmerk auf die Eigenart von Gradowskis Sprache, die als ›daijtschmerischer Stil‹ beschrieben wird
Marie Luise Knott, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.01.2020

 

Medienecho

26.01.2024
»Der am Rand des Grabes steht, bin ich…«

Rezension von Roland Kaufhold, in: haGalil.com, 26.1.2024

13.04.2021
Salmen Gradowski: Die Zertrennung

Rezension von Stephan Lehnstaedt, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 70.1 (2021), 124–125; auch erschienen in: sehepunkte 21.7–8 (2021)

25.06.2020
»Der letzte Trost dahin«. Mitglieder der »Sonderkommandos« von Auschwitz haben erschütternde Dokumente hinterlassen

Sammelrezension von Roland Kaufhold, in: Jüdische Allgemeine vom 25.06.2020, auch erschienen in: haGalil. Jüdisches Leben online

31.03.2020
Salmen Gradowski: Die Zertrennung

Rezension von Werner Renz, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 3 (2020), 269–271

24.01.2020
Niemals sollte die Welt dies erfahren. Zwei Editionen präsentieren Zeugnisse von Mitgliedern des Sonderkommandos Auschwitz

Sammelrezension von Marie Luise Knott, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.01.2020