Raum-Zeitenwende des Anthropozäns. Welchen Wert hat die Vergangenheit angesichts von Klimawandel und Biodiversitätsverlust?
Jahrestagung 2024 des Leibniz-Forschungsverbunds Wert der Vergangenheit, ausgerichtet vom Research Hub II »Raumzeitliche Ordnungsmuster«
Das Anthropozän – das »Zeitalter des Menschen« – stellt eine Epochenzäsur dar, mit der das Verhältnis von Mensch und Natur und auch das Verständnis von Raum, Geschichte und Zeit neu gedacht werden muss. Mit dem Anthropozän verbinden sich geologische, biologische, ökonomische, soziale, weltanschauliche und historische Diagnosen. Seit seiner Diskussion in den letzten zwei Jahrzehnten hat der Begriff vielfältige neue interdisziplinäre Möglichkeiten geschaffen, die Auswirkung des Menschen auf die Natur in planetaren Bezügen neu zu denken.
Der Beginn des Anthropozäns lässt sich geologisch allerdings nicht eindeutig bestimmen, wie die Debatten um den richtigen geologischen Anthropozän-Marker zeigen, die in der Anthropocene Working Group (AWG) der International Commission on Stratigraphy (ICS) geführt wurden. Eindeutig sind aber viele Faktoren – u.a. menschengemachter Klimawandel, künstliche Radioaktivität, Mikroplastik, Artensterben – die zeigen, dass die Menschheit zum geologischen und biologischen Faktor geworden ist.
Die Tagung widmet sich der Frage, welchen Wert die Vergangenheit für die Analyse des Anthropozäns hat, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Klimakrise und Biodiversitätsverlust. Eingeladen sind Expertinnen und Experten aus den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften. Sie diskutieren über das Verhältnis von Natur und Kultur, über die Konsequenzen von Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Verstädterung, alternative Konzepte wie das Technozän und das Kapitalozän mitsamt der Fragestellung, wie es um die Debatte um »Nachhaltigkeit« und die »Grenzen des Wachstums« steht. Darüber hinaus widmet sich die Konferenz der Frage, welche Auswirkungen das Anthropozän auf historisches Denken und Begriffe wie Fortschritt und Moderne haben, und wie vor diesem Hintergrund Museen und Sammlungen mit neuen Konzepten und Formaten in Forschung und Vermittlung reagieren.
Wir bitten um Anmeldung bis zum 10. September: https://eveeno.com/105893348
Programm
Mittwoch, 25.9.2024
13.00
- Bernhard Misof (Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels), Martina Brockmeier (Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft), Martin Sabrow (Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds »Wert der Vergangenheit«): Grußworte
- Helmuth Trischler (Deutsches Museum München): Einführung in das Tagungsthema
13.45
Klimawandel und Konsequenzen
Moderation: Willi Xylander (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung)
- Kira Rehfeld (Geo- and Environmental Center, Universität Tübingen): Was wir aus der Vergangenheit für die Gegenwart und das Anthropozän lernen können …
- Klement Tockner (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung): Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Klima – vom Konflikt zur Synergie
- Kati Krähnert (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung / Ruhr-Universität Bochum): Anpassung an den Klimawandel im Globalen Süden: Eine ökonomische Perspektive
16.00
Natur und Kultur I
Moderation: Katja Stopka (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam), Georg Toepfer (Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)
- Christoph Antweiler (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn): Anthropozän. Konzepte und Kritiken
- Sandra Maß (Ruhr-Universität Bochum): Zukünftige Vergangenheiten. Geschichte schreiben im Anthropozän
17.30
Natur und Kultur II
- Andreas Krebs (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn): Anthropozän und christliche Religiosität
- Solvejg Nitzke (Technische Universität Dresden): Mehr-als-menschliches Lesen. Ansätze einer nicht-mehr-anthropozentrischen Literaturwissenschaft
19.30
Öffentlicher Abendvortrag
Moderation: N.N.
- Mark Lawrence (Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam): Is it time for an Anthropocene 2.0?
Donnerstag, 26.9.2024
9.00
Technosphäre und Technozän
Moderation: Helmuth Trischler (Deutsches Museum München)
- Franz Mauelshagen (Universität Bielefeld): Die große metabolische Divergenz im Anthropozän
- Fabienne Will (Deutsches Museum München): Die Technosphäre als umwelt- und technikhistorische Provokation
- Jonathan Donges (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung): N.N.
11.30
Die Räume des Anthropozän
Moderation: Achim Saupe (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam / Leibniz-Forschungsverbund »Wert der Vergangenheit«)
- Simone Müller (Universität Augsburg): »If All the World Were Philadelphia« – Zum Raumgerüst globaler Umweltgeschichte im Anthropozän
- Christoph Bernhardt (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner / Humboldt-Universität zu Berlin): Anthropozän und Urbanisierung
14.00
Biodiversitätsverlust und Sammlungstätigkeiten
Moderation: Katharina Schmidt-Loske (Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels)
- Josef Settele (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Internationale Prozesse zum Schutz von Biodiversität und Lebensräumen – Erfahrungen aus der Arbeit im Weltbiodiversitätsrat
- Christine von Weizsäcker (Biologin, Umweltaktivistin): Warum haben die Beschlüsse multilateraler Abkommen den Biodiversitätsverlust bisher nicht aufgehalten?
- Thomas Graner (Bundesamt für Naturschutz, Bonn): Herausforderungen und Chancen für den Naturschutz in Deutschland und Europa
16.00
Praxisdimensionen und Museumsführung
- Bernhard Misof (Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels), Helmuth Trischler (Deutsches Museum München): Bibliothek des Wissens
anschließender Rundgang durch das Museum
18.00
Bonner Thesen zum Anthropozän
Eine Diskussionsrunde mit den Organisatorinnen und Organisatoren der Tagung
Freitag, 27.9.2024
9.00
Wachstum und Degrowth-Debatte
Moderation: Reinhard Loske (Universität Witten/Herdecke)
- Anders Levermann (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung): Die Faltung der Welt: ein freiheitlicher Weg aus Klimakrise und Wachstumsdilemma
- Ulrich Petschow (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin): Die vorsorgeorientierte Postwachstumsstrategie – der Abschied von der Kultur des Wachstums im Anthropozän
10.30
Übersetzungen des Anthropozän — transdisziplinär und in die Öffentlichkeit
Moderation: Bernhard Gißibl (Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz)
- Daniel Hess (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg): »Hello Nature« – Natur-Mensch-Verhältnisse und ihre Präsentation in einem kulturgeschichtlichen Museum
- Elisabeth Heyne (Museum für Naturkunde, Berlin): Natur der Dinge. Eine partizipative Sammlung des Anthropozäns
- Birte Hauser, Julian Taffner (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung): Planet A
12.30
Schlussdiskussion
Bonner Thesen zur RaumZeitenwende des Anthropozäns
Moderation: Bernhard Misof