Überleben
Programm
Seit den achtziger Jahren lässt sich in den verschiedensten
Disziplinen eine auffällige Verbreitung des Überlebensbegriffs
beobachten. Die gegenwärtige ubiquitäre Verwendung des Begriffs verdankt
sich dabei einerseits dem Umstand, dass sich mit seiner Hilfe die
Erfahrungen grundlegender konzeptueller Umbrüche der vergangenen
Jahrzehnte bündeln und weiterdenken lassen; dazu gehören vor allem die
Theoreme der großen Verabschiedungen (z.B. vom nachgeschichtlichen
Zeitalter bzw. Posthistoire, vom Ende der Utopien), die Debatten um die
,Risikogesellschaft’, das Theorem vom Ende des Menschen und die
Bemühungen um eine ,Anthropologie nach dem Tode des Menschen’.
Andererseits scheint der Begriff geeignet zu sein, neuere Erscheinungen
einer Wiederkehr vermeintlich überwundener kultureller und sozialer
Phänomene sowie Erfahrungen einer Verallgemeinerung existenzieller Nöte
zu problematisieren. Viele der aktuellen Verwendungsweisen (insbesondere
im Zusammenhang der Ökologiediskussion) rufen dabei den historischen
Kontext des Darwinismus wieder auf, der die moderne Karriere des
Begriffs angebahnt hatte.
Das Zentrum für Literatur- und
Kulturforschung organisiert eine Arbeitstagung, auf dem Projekte zum
Problemkreis des Überlebens vorgestellt und diskutiert werden. Ein Ziel
der Veranstaltung ist es, einen Dialog zwischen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern aus den verschiedensten Disziplinen über die
historischen und kulturellen Voraussetzungen sowie Zusammenhänge der
einzelnen Überlebenskonzepte im Hinblick auf aktuelle Fragestellungen in
Gang zu bringen.
PROGRAMM
Update: 08.12.2008
Freitag, 12. Dezember 2008
13.00h Begrüßung und Einführung
Tile von Damm / Falko Schmieder (ZfL)
13.15h
Thomas
Macho (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kultur- und
Kunstwissenschaften): Überlegungen zu einer „Überlebenswissenschaft“
13.30h – 16.30h
Kulturgeschichtliche Zäsuren
Moderation: Franziska Thun-Hohenstein (ZfL)
Impulsreferate (je 10 min):
Juliane Brauer (Freie Universität Berlin): Am Rande des Sozialen: Überleben im Konzentrationslager
Eva-Maria
Stolberg (Universität Duisburg-Essen): "Über-Leben und Sterben im KZ
und Gulag". Der Versuch einer psychologischen Bewältigung der deutschen
und sowjetischen Lagerwelt am Beispiel der Werke von Viktor Frankl und
Alexander Sol'ženicyn
Fabian Kettner (Freie Universität Berlin):
Empathie und Erfahrung. Zur Kontroverse zwischen Bettelheim und Des
Pres über die Überlebenden des Lagers
Diskussion
Impulsreferate (je 10 min):
Detlev Schöttker (Technische Universität Dresden): Heiterkeit und Überlebenswille. Von Nietzsche zu Jünger
Zoran Terzić (ZfL): Das (Über-)Leben der Anderen - Todesabwehr und Verwandlung bei Elias Canetti
Lisa
Regazzoni (Goethe Universität Frankfurt am Main): Die Mehrdeutigkeit
des Überlebensbegriffs und die aporetischen Folgen hinsichtlich der
Schuldfrage
Diskussion
17.00h – 20.00h
Aktuelle Kontexte
Moderation: Falko Schmieder (ZfL)
Impulsreferate (je 10 min):
Johannes
Scheu (Universität Konstanz): Über Leben im Elend und der Exklusion.
Theoretisierungsversuche extremer Armut in der frühen und neueren
Soziologie
Wim Peeters (Universität Leiden): Die Frage nach dem sozialen Überleben in der deutschen Gegenwartsliteratur
Rike
Bolte (Freie Universität Berlin): Überlebens-Kunst als Ressource?
Poetry of Place und Autopoiesis in Mexico City, Medellín, Lima und
Buenos Aires
Diskussion
Impulsreferate (je 10 min):
Judith Kasper (Universität Ca’ Foscari, Venedig): Trauer, Triumph und Trauma. Zur Frage der ethischen Dimension des Überlebens
Barbora Kimáková (Humboldt-Universität zu Berlin): Dimensionen eines „Sprachenüberlebens“
Ute Raßloff (GWZO Leipzig): Unter widrigen Umständen. Das Überleben in der Apologetik "kleiner Nationen" Mitteleuropas
Diskussion
Samstag, 13. Dezember 2008
10.00h
Thomas Schmidt (Humboldt-Universität zu Berlin): Entscheidungen unter Risiko
10.15h – 13.00h
Zukunftsszenarien
Moderation: Tile von Damm (ZfL)
Impulsreferate (je 10 min):
Gregor Betz (Universität Stuttgart): Zur Konzeptualisierung des Worst Case
Sabine Höhler (Deutsches Museum München): Life Support: Die Experimentalisierung des Lebensraums im All
Diskussion
Wolfgang Krohn (ZIF, Universität Bielefeld): Realexperimente
Ina
Schmied-Knittel (Institut für Grenzgebiete der Psychologie und
Psychohygiene Freiburg): Post mortem. Nahtod-Forschung und (natur-)
wissenschaftliche Überlebenshypothesen
Diskussion