ZwischenRäume 7
06.02.2004 · 14.00 Uhr

Serialität

Ort: ZfL, Jägerstr. 10/11, 10117 Berlin, R. 06
Organisiert von Christine Blättler, Inge Münz-Koenen, Julia Voss, Jörn Münkner
ZfL-Projekt(e): ZwischenRäume

Programm

Veranstaltung in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

Nachfragen bitte an Herrn Bernhard Dotzler, Tel.: 20 19 21 89 oder per Email:

Programm

  • Julia Voss (MPI): Die Serie als Bildformel der Evolution
  • Christine Blättler (ZfL): Tableau und Transformation, Lamarcks Serienmuster
  • Jörn Münkner (HZK): Frühformen des Seriellen in illustrierten Flugblättern der Frühen Neuzeit
  • Inge Münz-Koenen (ZfL): Serialität als künstlerisches Verfahren

Serie kommt vom lateinischen series und meint "Kette, Reihe, Folge". Etymologisch ist Serie mit serere der "Verknüpfung" verwandt.
Serielle Wiederholungen spielen für die Bildung und Identifizierung ähnlicher Elemente und Muster eine Rolle. Als Methode wird Serialität etwa in der medizinischen, psychiatrischen oder kriminologischen Fotografie verwandt. Die Aufnahmeverfahren bildeten standardisierte Darstellungsmuster aus, welche Identifizierungen, Klassifizierungen und Wiedererkennbarkeit beförderten.
Serien und serielle Strukturen sind nicht erst mit oder durch die moderne industrielle Fertigungstechnik entstanden und sind nicht allein Phänomene des 19. und 20. Jahrhundert. So wird die Serie auch in naturphilosophischen und metaphysischen Texten als hierarchische Kette von Wesenheiten (teils Lebewesen) seit der Antike thematisiert. Konjunktur hat die Serie im 17. und 18. Jh.; in der Form des Tableaus ist sie als Ordnungsmuster für die Episteme der Klassik überhaupt zentral (Foucault), nicht nur in der naturgeschichtlichen Taxinomie. Später wird die Serie im Bereich der Biologie für die Visualisierung von Transformation, Evolution und schließlich Klonierung verwendet.
Serialität als methodisches Verfahren spielt auch für die Kunst der Moderne und insbesondere der Postmoderne eine bedeutende Rolle. "Serial order is a method, not a style". Mit diesem Satz begann der Künstler, Kurator und Kritiker Mel Bochner seinen Artikel The Serial Attitude, der die von ihm 1967 kuratierte Ausstellung Art in Series methodisch fundierte. Für Gilles Deleuze zeigt gerade serielle Kunst der Philosophie einen Weg aus dem in Repräsentation gefangenen Denken heraus; er selbst praktiziert ein Denken, das auf einer komplexen Strategie der Serie beruht und sich in immer schon differenten Wiederholungen realisiert (Différence et répétition 1968, Logique du sens 1969).

Ein Interesse an der seriellen Logik zeichnete insbesondere die künstlerische Produktion seit den späten 50er Jahren aus und verband sich mit der Abwertung der individuellen Herstellung. Die Verwendung von Materialien der industriellen Herstellung, von Darstellungsweisen der Mathematik, der Kartografie und der Linguistik sowie die divergente Wiederholung eines Systems als objektkonstituierendes Verfahren bildeten zudem eine ablehnende Reaktion auf den abstrakten Expressionismus und seinen einflußreichsten Theoretiker Clement Greenberg.
Gefördert wurde das Interesse an seriellen Verfahren auch durch technische Medien. In den sechziger Jahren formulierte Marshall McLuhan die These, daß die instantane Technik elektronischer Medien die Linearität, die durch das Alphabet und den Buchdruck gefördert worden sei und die unser Denken strukturiere, in ein Nebeneinander und in eine Gleichzeitigkeit transformiere. Der von McLuhan konstatierte medienkulturelle Umbruch kann durch die Figuren der Reihe und des Netzes beschrieben werden.