ZfL Semesterthema WS 2012/13
01.10.2012 – 23.02.2013

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Programm

Die Konjunktur des Visuellen in den Wissenschaften ist ungebrochen. Das zeigt sich nicht nur an der seit Jahren anhaltenden Zunahme bildtechnischer Verfahren, sondern auch an der Faszination einer breiten Öffentlichkeit für wissenschaftliche Bilder. Die Forschungen des ZfL gelten diesem Phänomen, indem sie sowohl die wissenschafts- und kulturgeschichtliche Genese von Bildern als auch das Verhältnis von Epistemologie und Visualisierung untersuchen.
Aufbauend auf den langjährigen Forschungen zum Austausch zwischen Kunst und Wissenschaft, in dessen Kontext u. a. die spezifische Erkenntnisweise künstlerischer Verfahren befragt wurde, werden in den laufenden Projekten des ZfL Diskurse, kulturelle Implikationen und Praktiken exemplarischer Phänomene des Visuellen und Bildlichen untersucht. Vor dem Hintergrund kulturanthropologischer Fragen nach dem Bild des Menschen steht dabei das Gesicht im Zentrum – im Doppelsinne von Sehen und Gesehen- Werden. An der Schwelle von Physischem/Organischem und Kulturellem situiert, prägen Auge, Gesicht und Kopf im hohen Maße unseren Austausch mit der Umwelt und mit anderen Menschen. Gleichwohl sind sowohl die Sehweisen als auch die Vorstellungen und Darstellungen, die Formen und Normen des menschlichen Gesichtes/Kopfes – als Metonymie der Person – veränderten Praktiken und Zuschreibungen unterworfen.
Das Semesterthema lenkt den Blick auf Prozesse der Gleichzeitigkeit von Sichtbarkeit und Sichtbarmachung. In dem ZfL-Forschungsprojekt Gesicht als Artefakt wird untersucht, wie das Gesicht zwischen den vielfältigen Formen seiner Darstellung und den Grenzen seines Ausdrucks bis hin zu seiner Undarstellbarkeit oszilliert. In der Wahrnehmungsforschung, die für den Forschungsbereich Visuelles Wissen zentral ist, steht die Rolle des Auges als Objekt und als Werkzeug der Beobachtung in Frage. Sehen scheint dort als Effekt des Entzugs von Sichtbarkeit zu entstehen. In der Forschergruppe zum SchädelBasisWissen schließlich werden das implizite Wissen und verdeckte Vorstellungen aufgedeckt, die im Spiel sind, wenn Künstler, Patienten oder Ärzte über ein ›normales‹ Aussehen des Kopfes zu entscheiden haben.