ZfL INFO 48/2022: Algorithmizität als Kultur des Verstehens? Digitale Erkenntnisprozesse in den Humanities
Algorithmizität als Kultur des Verstehens? Digitale Erkenntnisprozesse in den Humanities
Ort: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL), Schützenstraße 18, 10117 Berlin, 3. Etage, Trajekte-Tagungsraum / Zoom
In den Digital Humanities werden tradierte Strukturen der Wissensproduktion auf der Basis computergestützter Verfahren neu verhandelt. Neben Reflexionen über Medialität und Sozialität geisteswissenschaftlicher Erkenntnisprozesse werden vermeintlich dichotomische Setzungen, wie analog/digital, qualitativ/quantitativ sowie kontinuierlich/diskret, auf den Prüfstand gestellt. Im Zuge dessen rückt nicht nur die Frage in den Vordergrund, wie disziplinspezifische Kulturen des Verstehens ins Verhältnis zueinander gebracht werden können. Vielmehr werden auch etablierte geisteswissenschaftliche Methoden und Praktiken unter digitalem Paradigma reformuliert.
Die von der DHd-AG Digital Humanities Theorie organisierte hybride Tagung »Algorithmizität als Kultur des Verstehens?« widmet sich daher der algorithmischen Verfasstheit von geisteswissenschaftlichen Erkenntnisprozessen. Einen ersten Ausgangspunkt bildet die Annahme, dass sich in traditionellen und aktuellen Forschungspraktiken der Geisteswissenschaften latente Formen der Algorithmizität wiederfinden lassen. Darunter sind nicht nur im Sinne einer prozessual verstandenen Algorithmisierung digitale Formen geisteswissenschaftlichen Arbeitens zu verstehen. Vielmehr bezeichnet Algorithmizität den jeweiligen Formalisierungsgrad von Handlungsanweisungen, der sich in geisteswissenschaftlichen Methoden sui generis manifestiert.
Vor diesem Hintergrund nimmt die Tagung nun Algorithmizität als ein graduelles Phänomen in den Blick. So können latente und explizite Formen der Algorithmizität unterschieden werden, die einerseits von Prozessen der Quantifizierung und Diskretisierung bis zu maschinenlesbaren Handlungsabläufen reichen. Andererseits werden auch disziplinspezifische Umgangsformen mit Algorithmizität sichtbar. Ziel der Tagung ist die Sichtbarmachung und Diskussion von angewandten Algorithmen oder regelgeleiteten Methodensettings. Ferner verspricht die Tagung, disziplinäre Unterschiede zwischen geisteswissenschaftlicher und informatischer Wissensproduktion zu benennen.
Die Tagung findet in einem kombinierten Format von Livestream und Präsenzveranstaltung (nach den geltenden Hygieneregeln) am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin statt.
Zum Organisationsteam gehören Manuel Burghardt (Universität Leipzig), Jonathan D. Geiger (Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz), Jan Horstmann (Universität Münster), Rabea Kleymann (Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung), Jascha Schmitz (Humboldt-Universität zu Berlin) und Silke Schwandt (Universität Bielefeld).
Finanziell unterstützt wird diese Tagung von der Universität Bielefeld.
Programm
11.00
- Begrüßung
- Einführung in den Themenkomplex
11.45 Keynote
- Gabriele Gramelsberger: Algorithmizität – Eine philosophische Perspektive
14.00 Lightning Talks
- Nikita Braguanski: Die Algorithmizität musikalischen Denkens
- Charlotte Coch: Passen/Nicht-passen: Zur Binarität der Interpretation literarischer Materialitäten
- Charlotte Feidicker: Wie funktioniert der Vergleichsalgorithmus? Vergleichsformationen in englischen Rechtsquellen des 13. Jahrhunderts
15.10 Lightning Talks
- Fotis Jannidis: Begriffsbildung und Operationalisierung in den Computational Literary Studies
- Dennis Möbus: The Discovery of Grounded Theory und die Algorithmisierung der Hermeneutik
- Thomas Nyckel: Algorithmen als Faustregeln
16.30 Abschlussdiskussion