»Verteidigung der Demokratie«. Hermann Brochs amerikanische Exilerfahrung und die Aktualität seines politischen Denkens
Symposium, gefördert durch die VolkswagenStiftung, Hannover, veranstaltet durch das Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL) in Verbindung mit dem Internationalen Arbeitskreis Hermann Broch
Hermann Broch emigrierte 1938 von Österreich über England in die USA. Bis dahin vor allem als Romancier hervorgetreten, widmete er sich in den Jahren des Exils vor allem der Politik: zahlreichen Emigranteninitiativen, der politischen Theorie und dem großen Projekt einer »Massenwahntheorie«. Dabei versuchte er nicht nur den Erfolg ›totalitärer‹ Regime zu erklären, sondern arbeitete auch an einer Konzeption von Demokratie, die, so Broch, gegen diese Regime nur dann werde bestehen könne, wenn man sie neu begründe.
Obwohl diese Überlegungen zu Brochs Lebzeiten nur geringe Wirkung hatten, sind sie gerade heute wieder aktuell. Angesichts von Populismus und Autokratie, von ›fake news‹, Politikverdrossenheit und Krise der Demokratie eröffnen sie interessante Perspektiven auf zentrale Theoriezusammenhänge von Demokratie, Menschenrechten, Universalismus, Massengesellschaft und Totalitarismus. Dass es sich dabei um eine transatlantische Konstellation handelt – Broch betont immer wieder, dass er ohne die amerikanische Erfahrung niemals verstanden hätte, was Demokratie bedeute –, macht sie nur um so aktueller.
Das Symposium diskutiert Brochs politisches Denken im Kontext zeitgenössischer Debatten und fragt nach Herkünften und Adressaten seiner Überlegungen ebenso wie nach ihrer Aktualität.
Programm
Donnerstag, 24.06.2021
09.00–09.30
- Eva Geulen (ZfL), Daniel Weidner (Halle), Paul Michael Lützeler (St. Louis): Eröffnung und Einführung
09.30–11.30
- Paul Michael Lützeler (Washingtion University / IFK Wien/Linz): Brochs Überlegungen im US-Exil zur »Re-Education« in Deutschland
- Doreen Wohlleben (Universität Marburg): Erziehung zur Demokratie: Brochs Ideen zu einer Internationalen Universität
11.30–12.00 Kaffeepause
12.00–13.00
- Barbara Picht (ZfL): Wissensnetzwerke des Exils. Brochs Korrespondenzen und Zeitschriftenkontakte
13.00–14.30 Mittagessen
14.30–16.30
- Patrick Eiden-Offe (ZfL): Essayismus und Politik. Brochs politische Aufsätze im Kontext der frühen Nachkriegszeit
- Kirk Wetters (Yale University, New Haven): Hermann Broch and Post-Weberian Theory
16.30–17.00 Kaffeepause
17.00–19.00
- Martin Klebes (University of Oregon, Eugene): Law and Consciousness. Broch on Democratic Propaganda
- Monika Ritzer (Universität Leipzig): Von Shitstorms und medialer Politik: Die verdrängte Aktualität der Massenpsychologie (Broch, Canetti)
19.00 Abendessen
Freitag, 25.06.2021
9.00–11.00
- Daniel Weidner (Universität Halle): »Irdisch absolut«: Brochs Kritik der Politischen Theologie
- Doerte Bischoff (Universität Hamburg): Die Gemeinschaft der Staatsbürger. Demokratische Modelle in Brochs Exilromanen
11.00–11.30 Kaffeepause
11.30–12.30
- Agnieszka Hudzik (Freie Universität Berlin): »Der Tod des Vergil« im komparatistischen Kontext
12.30–14.00 Mittagspause
14.00–16.00
- Sebastian Kirsch (ZfL): Stimmen und Nebelmenschen: Zum chorischen Status der »Schuldlosen«
- Ioana Vultur (Paris): Literarische Anspielungen in Brochs »Massenwahntheorie«
16.00–16.30
Kaffeepause
16.30–18.30
- Sebastian Wogenstein (University of Connecticut): Broch and »The City of Man« Project of 1939/1940
- Eva Geulen (ZfL): Rom rühmen. Broch und Arendt
19.00 Abendessen
Abb. oben: Herrmann Broch am 10. Juni 1933 im Garten des Hotel Radetzky in Hinterbruehl bei Wien. Fotografin: Trude Geiringer. Quelle: Privatarchiv von Paul Michael Lützeler (Mit freundlicher Genehmigung)