Sakramentale Repräsentation

Das Projekt untersuchte die grundlegende Bedeutung des Sakraments für Diskurse und Praktiken der Repräsentation in der Frühen Neuzeit. In interdisziplinärer Zusammenarbeit von Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie wurde an exemplarischen Debatten und Werken des 16. und 17. Jahrhunderts gezeigt, wie der Diskurs über Zeichen und deren repräsentative und performative Kraft explizit und implizit immer wieder auf Debatten über das Sakrament rekurriert. Damit wird die Repräsentationskultur der Frühen Neuzeit insgesamt als Erbe der Auseinandersetzung über die Reformation lesbar, die auch dort noch wirksam bleibt, wo es nicht mehr explizit um sakramentstheologische Fragen geht.

Die Erforschung der Frühen Neuzeit hat in den letzten Jahrzehnten einen Begriff der Repräsentation ins Zentrum gestellt, der epistemologische, mediengeschichtliche und politische Prozesse zu beschreiben erlaubt. Das Projekt betonte in seinen Arbeiten gegenüber anderen Ansätzen die Bedeutung von sakralen Praktiken und Modellen der Repräsentation. Das um die Eucharistie zentrierte System heiliger Zeichen, Bilder und Rituale, deren Formen grundsätzlich durch eine Spannung von Präsenz und Repräsentation bestimmt sind, wurde in der Reformation zu einem der wichtigsten Schauplätze kultureller Auseinandersetzungen und ist seitdem bestimmend für die gesamte Episteme der Repräsentation.

Die medialen Szenarien der sakramentalen Repräsentation sind dabei keineswegs auf die Sakramentsfrömmigkeit oder die theologischen Sakramentsdebatten selbst beschränkt, sondern betreffen Phänomene der Übertragung und Überdeterminierung in sakralen und profanen Kulturtechniken der Frühen Neuzeit. Das Modell des Sakraments ist immer mitgedacht, wenn von Zeichen, von ›bloßen‹ Zeichen oder von etwas das ›mehr‹ ist als ein Zeichen, die Rede ist, sei es, dass die Märtyrer der frühen Neuzeit als Zeugen einer Wahrheit inszeniert werden, sei es, dass die Figur des Märtyrers seinerseits zur Reflexion über das Theater genutzt wird. Einerseits werden also scheinbar ganz verschiedene philosophische, ästhetische und politische Diskurse, Medien und Praktiken herangezogen, um das Sakrament zu denken und seine jeweilige Interpretation zu plausibilisieren. Andererseits werden umgekehrt solche Diskurse und Praktiken mittels sakramentaler Modelle und Konzepte reflektiert und in Szene gesetzt, wenn etwa im allegorischen Theater dem Vollzug der Handlung auf der Bühne ein emblematischer Sinn zugewiesen wird. Solche Reflexionen lassen sich nicht einfach als ›Säkularisierung‹ theologischer Denkfiguren verstehen und lassen sich auch konfessionell nicht einfach verorten, vielmehr zeigt sich in ihnen das Spannungsfeld und der Verhandlungsraum zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, zwischen verschiedenen medialen Praktiken, Semiotiken und Politiken.

Das breite Spektrum der Beiträge aus Geschichts-, Religions-, Kunst- und Literaturwissenschaft zum Workshop »Sakramentale Repräsentation« dokumentierte die vielfältige und disziplinenübergreifende Anschlussfähigkeit des Projekts. Als fruchtbar erwies sich insbesondere die Erweiterung und Präzisierung der die bisherige Forschung dominierenden historischen bzw. konfessionsspezifischen Typologie von Präsenz vs. Repräsentation zugunsten einer medien- und kulturgeschichtlichen Perspektive auf die vielfältigen diskursiven Schnitt- und Umbruchstellen des sakramentalen Paradigmas in der frühen Neuzeit. In diesem Sinne verfasste das Projekt eine kollektive Monographie, verortete das Konzept der ›sakramentalen Repräsentation‹ im Rahmen bisheriger Forschungsansätze (u.a. Diskursanalyse, Säkularisierungsdebatten, Mediengeschichte) und entfaltete es in einer Reihe von exemplarischen Einzeluntersuchungen, die die Rolle des Sakramentsdiskurses in Epistemologie und Zeichentheorie, in der Ikonologie, Bildkritik und Emblematik, im barocken Theater sowie in der Rhetorik und Poetik der geistlichen Lyrik und schließlich in der der politischen Theorie behandeln.

Programmförderung Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2008–2010
Leitung: Daniel Weidner
Bearbeitung: Stefanie Ertz, Stefan Manns, Heike Schlie
Gäste: Brian Britt, Caroline Bynum, Thomas Lentes, Hans-Peter Schmidt, Steven Wasserstrom

Publikationen

Stefanie Ertz, Heike Schlie, Daniel Weidner

Sakramentale Repräsentation
Substanz, Zeichen und Präsenz in der Frühen Neuzeit

Trajekte-Buchreihe
Wilhelm Fink Verlag, München 2012, 381 Seiten
ISBN 978-3-7705-5248-1

Heike Schlie

  • Body and Time: The Representation of the Naked and Clothed Self in Religious, Social, and Cosmological Orders (Matthäus Schwarz, 1497–1574), in: Franz-Josef Arlinghaus (Hg.): Forms of Individuality and Literacy in the Medieval and Early Modern Epochs. Turnhout: Brepols Publishers 2015, 259–301
  • Das Holz des Lebensbaumes, des Kreuzes und des Altarretabels: Die Cranach’sche Neufassung einer sakramentalen Bildgattung, in: Thomas Pöpper, Susanne Wegmann (Hg.): Das Bild des neuen Glaubens. Das Cranach-Retabel der Schneeberger St. Wolfgangskirche. Regensburg: Schnell & Steiner 2011, 101–117
  • Wandlungen eines sakramentalen Bildverbundes in der Reformation. Das Schneeberger Retabel von Lucas Cranach dem Älteren, in: David Ganz, Felix Thürlemann (Hg.): Das Bild im Plural. Mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart. Berlin: Reimer 2010, 10–35
  • Eben doch von Menschenhand gemacht – Lucas Cranach und der Kunstdiskurs der Vera-Icon-Bilder, in: Martin Büchsel, Rebecca Müller (Hg.): Intellektualisierung und Mystifizierung mittelalterlicher Kunst. ›Kultbild‹ – Revision eines Begriffs. Berlin: Gebr. Mann Verlag 2010, 207–232
  • Abdruck und Einschnitt – Die medialen Träger der Spur als appendicia exteriora des Christuskörpers, in: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Bd. 8.1 (2010), 83–94

Daniel Weidner

Veranstaltungen

Tagung
30.03.2011 – 01.04.2011 · 02.00 Uhr

Orte der Imagination – Räume des Affekts: Die mediale Formierung des Sakralen (1100–1600)

Georg-August-Universität Göttingen

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Workshop
29.01.2009 – 31.01.2009

Sakramentale Repräsentation

ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., R. 303

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Medienecho

02.11.2013
Präsenz und Repräsentation. Eine multidisziplinäre Studie über sakramentale Repräsentation in der Frühen Neuzeit

Rezension von Racha Kirakosian, in: literaturkritik.de vom 02.11.2013