Forschung am ZfL

Forschungsprofil

Die Forschungen des ZfL verteilen sich seit Ende 2015 auf die drei permanenten Programmbereiche Theoriegeschichte, Weltliteratur und Lebenswissen. Diese bilden historisch, systematisch und methodologisch einen Gesamtzusammenhang mit unterschiedlichen Akzentsetzungen. In der historischen Perspektive stehen die drei Programmbereiche in Beziehung, weil ihre zentralen Begriffe zeitgleich in der Sattelzeit des 18. Jahrhunderts entstehen (Leben, Weltliteratur) oder ihre Bedeutung sich damals stark verändert hat (Theorie). Ihr systematischer Konnex besteht in der inhaltlichen Verflechtung und langen Strahlkraft der mit ihnen verbundenen Diskurstraditionen. So zeitigte beispielsweise die neue Gattung des Romans, in dem das Verhältnis von Leben und Literatur zu einem Hauptthema wird, auch neue Betrachtungsweisen theoretischer Provenienz. Viele Aspekte des Organismus-Begriffs der frühen Biologie fanden Eingang in die Kunsttheorie und die philosophische Ästhetik. Methodologisch kohärieren die drei Bereiche durch den gemeinsamen Horizont historisch-hermeneutischer Zugangsweisen, die dabei je nach Gegenstand sehr unterschiedlich konfiguriert sein können. Als besonders fruchtbar und profilbildend für die Arbeit des ZfL haben sich die Integration religionsgeschichtlicher Perspektiven sowie bildwissenschaftlicher Fragen und Verfahren erwiesen. Künftig treten transversal auch Bemühungen um die rechtsgeschichtlichen Dimensionen von Kultur hinzu.

Programmbereich Theoriegeschichte

Vor ihrer Reduktion auf ›schöne Literatur‹ am Ende des 18. Jahrhunderts gehörten zur alteuropäischen ›Litteratur‹ auch andere Felder der Gelehrsamkeit wie Rhetorik und Poetik, Religion, Naturgeschichte und andere Künste. Die damals ausgebildeten Denktraditionen und Deutungspraktiken sind um 1800 nicht einfach verschwunden, sondern wurden transformiert. Eine historisch besonders wirksame Nachfolgeformation ist das als Literaturtheorie prominent gewordene, bis in die Gegenwart stetig expandierende und sich verändernde Feld der Theoriebildung in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Kultur kann es stets nur in einem vorstrukturierten Wahrnehmungshorizont geben und damit unter Bedingungen, deren Erforschung mit dem Begriff ›Theorie‹ seit dem späten 18. Jahrhundert einen eigenen Namen und eine eigene Geschichte hat. Theoriegeschichte ist also sehr viel umfassender zu verstehen als die Abfolge der Theorien und ›turns‹ seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.

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Programmbereich Weltliteratur

Mit Weltliteratur wird am ZfL ein Begriff aufgenommen, der parallel zu den Nationalphilologien im 19. Jahrhundert entstand, jedoch auch zu deren Überwindung beitragen kann. Aktuell wird der Begriff Weltliteratur mit Blick auf die Globalisierung und deren Folgen für Produktion und Rezeption von Literatur unter sich rasant verändernden medialen, technologischen und politischen Bedingungen verwendet. Weltliteratur kann darüber hinaus auch als Ausdruck der Einsicht verstanden werden, dass Literatur kein Abbild oder Reflex jeweiliger Wirklichkeiten ist, sondern selbst eine Weise der Weltgestaltung und Wirklichkeitsbearbeitung. Folglich geht es nicht um die Erforschung aller Literaturen der Welt, sondern um die exemplarische Erprobung der Möglichkeiten von Literatur, nicht gleich alles, aber doch sehr viel, über unsere Welt zu wissen. In diesem Sinne stehen die osteuropäischen Literaturen am ZfL seit Langem im Fokus. Sie gehören in einen religionsgeschichtlich, ethnisch und politisch brisanten kulturellen Raum am vermeintlichen ›Rand‹ Europas, der es gerade angesichts aktueller Krisen erlaubt, kritische Perspektiven auf die hegemoniale Selbstdeutung Europas zu entwickeln.

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Programmbereich Lebenswissen

Literarisches und theoretisches Wissen waren nie Selbstzwecke, sondern dienten unter historisch wechselnden Bedingungen dem Leben des Einzelnen wie dem der Kollektive. Dieser im antiken Bildungskonzept, im modernen Bildungsroman und in Begriffen wie Nationalliteratur oder Kulturnation kanonisierte Glaube daran, dass die Künste ein auch lebensweltlich relevantes Wissen produzieren und tradieren, steckt in einer neuen Krise, seit Naturwissenschaften zunehmend auch Gegenstandsbereiche der vormaligen Geisteswissenschaften verhandeln (etwa die Bestimmung des freien Willens) und moderne Technologien ganz neue Anwendungsfelder, Gegenstandsbereiche und Fragestellungen gezeitigt haben. Im Zeichen dieser aktuellen Herausforderungen des Modells der ›zwei Kulturen‹ wird im Programmbereich »Lebenswissen« geforscht: interdisziplinär und unter besonderer Berücksichtigung der Biologie als Leitwissenschaft vom Leben. Dabei sind die Möglichkeiten eines gemeinsamen Horizontes auszuloten, in dem Naturdinge und Menschen, Artefakte und Organismen befragt werden können, ohne die jeweils fächerspezifischen Logiken und Traditionen zu ignorieren oder sie in einem konturlosen Kulturbegriff einzuebnen.

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Schwerpunktprojekte

In den Schwerpunktprojekten des ZfL werden Fragestellungen bearbeitet, die quer zu den Themenfeldern der Programmbereiche Theoriegeschichte, Weltliteratur und Lebenswissen verlaufen; in ihnen sind daher Mitarbeiter*innen aus diesen verschiedenen Bereichen vereinigt.

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