
Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur
In der Nachbarschaft kommen gegenwärtig vielfältige Herausforderungen zusammen. Vor allem die Wohnungsknappheit und die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum prägen in Städten wie Berlin den Alltag und die Diskussionen in den Medien. Aber auch Flucht- und Migrationserfahrungen, Angst vor dem Fremden, Armut und Obdachlosigkeit setzen nachbarschaftliches Zusammenleben einer Belastungsprobe aus. Auf lokale Strukturen im Kiez oder in Dörfern werden deshalb große Hoffnungen gesetzt. Nachbarschaft gewinnt in diesen Szenarien nicht selten utopische Züge.
Der Begriff der Nachbarschaft bezeichnet Lokalität auf kleinstem Raum, die allerdings keine scharfe Begrenzung hat und sich dauerhaft in Übergängen befindet. Der Etymologie nach meint Nachbarschaft die Beziehung zum räumlich Nächsten, aber durch die digitalen Medien verliert die räumliche Nähe an Bedeutung. Nachbarschaft umfasst nicht nur gelungenes Zusammenleben, sondern auch spannungsreiche oder konfliktbelastete Verhältnisse.
Ausgangspunkt des Projekts sind Darstellungen und Verhandlungen nachbarschaftlicher Beziehungen und Gefüge in der Gegenwartsliteratur. Gerade in der Berliner Gegenwartsliteratur lässt sich aktuell eine große Vielfalt von Nachbarschaftsimaginationen auffinden und untersuchen. Zudem erlaubt die Vielsprachigkeit der Berliner Literaturszene den Blick über den städtischen Raum hinaus auf Nachbarschaften zwischen Ländern, Sprachen, in und mit anderen Regionen. Der Fokus auf Nachbarschaft erlaubt es außerdem, geläufige Gegensätze wie Stadt vs. Land oder Kiez vs. Stadt zu vermeiden und öffnet so den Blick für soziale Gefüge unter Bedingungen globaler Vernetzung. Ein Schwerpunkt liegt auf der Literatur seit 2000, die entweder thematisch oder über ihren Produktionsort einen Bezug zu Berlin oder zum Berliner Umland aufweist. Die Untersuchung beschränkt sich nicht auf die Thematik des Berlin-Romans, findet in gegenwärtigen Berlin-Romanen, die sich mit der Frage von Nachbarschaften befassen, aber einen ersten Angriffspunkt.
Das Projekt fügt der – aktuell vor allem in der Soziologie geführten – wissenschaftlichen Diskussion zum Thema Nachbarschaft eine literaturwissenschaftliche Perspektive hinzu. Dabei ist es ein zentrales Anliegen, Schnittmengen in den Fragestellungen zu finden und so ins Gespräch mit Autor*innen und Forschenden anderer Disziplinen zu treten. Die Literaturtage des ZfL im Literaturhaus Berlin im November 2019 bildeten den Auftakt für die literarische Erkundung der Berliner Nachbarschaften. Die von den Projektmitarbeiterinnen herausgegebene digitale Anthologie Nachbarschaften versammelt bislang unveröffentlichte Texte von Autor*innen und kurze wissenschaftliche Essays.
Abb. oben: © Dirk Naguschewski
Publikationen
- Christina Ernst/Hanna Hamel (Hg.): Online-Anthologie ›Nachbarschaften‹, fortlaufend ab 2020
- Dirk Naguschewski: »Von Integration bis Datenschutz. Was Klingelschilder über die Gesellschaft verraten«, in: Tagesspiegel vom 17.11.2020
Christina Ernst
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»Arbeiterkinderliteratur« nach Eribon. Autosoziobiographie in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, in: Lendemains 180 (2020) = Transfuge, transfert, traduction. La réception de Didier Eribon dans les pays germanophones, hg. von Elisabeth Kargl und Bénédicte Terrisse, 77–91
- Das Leben schreiben. Annie Ernaux’ Tagebücher, in: ZfL Blog, 22.6.2020
Hanna Hamel
- Lizenz zur Lüge im Angesicht des nahen Todes. Highsmith und Houellebecq über Literatur, in: ZfL Blog, 7.2.2022
- Sensibel auf Abstand, in: ZfL Blog, 21.5.2021
- Neue Nachbarschaften? Stil und Social Media in der Gegenwartsliteratur, in: ZfL Blog, 17.3.2020 (mit Pola Groß)
- Nachbarschaften. Nachlese zu den ZfL-Literaturtagen, in: ZfL Blog, 18.12.2019
Veranstaltungen
Wie postdigital schreiben? Verfahren der Gegenwartsliteratur
Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Aufgang B, 3. Et.
Doppelrollen im Literaturbetrieb
Literaturhaus Berlin, Fasanenstraße 23, 10719 Berlin, Garten
Tragödienbastard: Wo spielt das Gegenwartstheater?
Vierte Welt, Adalbertstr. 4, Galerie 1.OG, 10999 Berlin
»Sie verlassen den heteronormativen Sektor«
Kollektivbar ES, Pflügerstraße 52, 12047 Berlin
Paperbacks und PDFs
diffrakt | zentrum für theoretische peripherie, Crellestraße 22, 10827 Berlin
Spaces of Fanfiction
Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125, 10115 Berlin
GLITCHES #3: Elisa Aseva und Patrick Eiden-Offe sowie Alexandra Cárdenas
Museum für Kommunikation, Kaffeehaus, Leipziger Straße 16, 10117 Berlin
GLITCHES #2: Elias Hirschl und Hanna Hamel sowie Adi Gelbart
Museum für Kommunikation, Kaffeehaus, Leipziger Straße 16, 10117 Berlin
GLITCHES #1: Hannes Bajohr und Philipp Schönthaler sowie Manu Louis
Museum für Kommunikation, Kaffeehaus, Leipziger Straße 16, 10117 Berlin
Hanna Hamel: Philosophische Kurznachrichten oder: Wäre Adorno heute auf Twitter?
Centre Marc Bloch, Friedrichstraße 191, 10117 Berlin
In Gemeinschaft liest’s sich besser. Lesung und Gespräch mit Paul Bokowski
KVOST – Kunstverein Ost, Leipziger Straße 47, 10117 Berlin
In Gemeinschaft liest’s sich besser. Lesung und Gespräch mit Lea Streisand
KVOST – Kunstverein Ost, Leipziger Straße 47, 10117 Berlin
Die verführte Nachbarin
Kollektivbar ES, Plügerstraße 52, 12047 Berlin
Christina Ernst: Autorschaft in der Autosoziobiographie
Campus Center, Moritzstr. 18, 34127 Kassel, Hörsaal 3
Festival der Kooperationen mit Alexander Kluge & friends »Der Elefant im Dunkeln«
Literaturhaus Berlin u.a.
Pola Groß und Hanna Hamel: Netznachbarschaften 3.0: Autor*innen-Stile und Kollektive
Tübingen
Pola Groß und Hanna Hamel: Neue Nachbarschaften. Stil und Social Media in der Gegenwartsliteratur
online via Zoom
Christina Ernst: Schreibformen der Autosoziobiographie
online via Webex
Abstand
Literaturhaus Berlin, Fasanenstr. 23, 10719 Berlin – Garten / Livestream
Tim Dean: How to Have Sex in a Pandemic
ICI Berlin, Christinenstr. 18–19, Haus 8, 10119 Berlin
StadtLand, LandStadt. Die Stadt-Land-Differenz in Literatur und Gesellschaft der Gegenwart, mit Christina Ernst und Hanna Hamel
online via Zoom
STÖRGERÄUSCHE. Ein performatives Zoom-Gespräch von hannsjana
online via Zoom
Jean-Luc Nancy: Touche-touche
ICI Berlin, Christinenstr. 18–19, Haus 8, 10119 Berlin
Susanna Paasonen: Infrastructures of Intimacy and the Deplatforming of Sex
ICI Berlin, Christinenstr. 18–19, Haus 8, 10119 Berlin
Zwischenräume. Nachbarschaften im Berlin-Comic »Jein«
Livestream
Neue Nachbarschaften. Stil und Social Media in der Gegenwartsliteratur
Online
Partner oder Polizei? Über die Zukunft des Zusammenlebens mit Hubots
Nachbarschaft
Literaturhaus Berlin, Fasanenstr. 23, 10719 Berlin
Medienecho
Was macht Nachbarschaft aus? Davon erzählen Berliner Autoren in einem Online-Projekt. Beitrag von Sebastian Bauer, in: B.Z. (24.2.2021), 14–15
Beiträge
14.2.2022 Audio
»Das Medium ist die Botschaft – Social-Media-Literatur«
Radiobeitrag von Jakob Stärker mit Hanna Hamel u.a. in der Sendung »Mosaik« auf WDR 3.
© WDR 3
21.10.2021 Video
»Die verführte Nachbarin«
Lesung und Gespräch mit Angela Steidele, moderiert von Christina Ernst, in der KollektivBar ES.
© ZfL
11.10.2021 Video
»Nachbarschaften: Stadt Kunst Architektur«
Videoessay von Dirk Naguschewski und Nicola Chodan. Eine Produktion des Projekts »Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur« in Kooperation mit KVOST – Kunstverein Ost (Berlin).
© ZfL
17.–26.9.2021 Videos
»Position beziehen«
Das ZfL beim Festival der Kooperationen mit Alexander Kluge & friends »Der Elefant im Dunkeln«. Stadtspaziergänge und Podiumsdiskussion mit Sebastian Januszewski, Patrick Eiden-Offe, Sebastian Kirsch, Sandra Bartoli, Matthias Glaubrecht, Daniela Danz und Salome Rodeck.
© Literaturhaus Berlin
11.–12.06.2021 Bildergalerie
»Abstand«
Bilder der Literaturtage des ZfL im Literaturhaus Berlin, in Kooperation mit dem Projekt »Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur« und der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit Lesungen und Gesprächen mit Sharon Dodua Otoo, Joshua Groß, Leif Randt, Olivia Wenzel, Jackie Thomae, Juan S. Guse, Iris Hainka und Lutz Seiler und einem Vortrag von Johannes Franzen.
© Literaturhaus Berlin
28.05.2021 Audio
»Kochen, Blumen gießen, Schreiben. Nachbarschaft im Internet«
Gespräch mit Hanna Hamel in der Sendung »Studio 9: Kultur und Politik am Morgen« im Deutschlandfunk Kultur, Moderation: Ute Welty
© Deutschlandfunk Kultur
26.04.2021 Video
»How to Have Sex in a Pandemic«
Vortrag von Tim Dean (University of Illinois at Urbana-Champaign) im Rahmen der Online-Vortragsreihe »Intimacy«, mit Ben Nichols und Peter Rehberg
© ICI BERLIN
24.03.2021 Video
»Touche-touche«
Vortrag von Jean-Luc Nancy (European Graduate School) im Rahmen der Online-Vortragsreihe »Intimacy«, moderiert von Eva Geulen und Apostolos Lampropoulos, mit einer Einführung von Peter Rehberg
© ICI BERLIN
11.02.2021 Video
»Infrastructures of Intimacy and the Deplatforming of Sex«
Vortrag von Susanna Paasonen (Universität Turku) im Rahmen der Online-Vortragsreihe »Intimacy«, moderiert von Ben Miller und Georg Dickmann, mit einer Einführung von Peter Rehberg
© ICI BERLIN
28.11.2020 Video
»Zwischenräume. Nachbarschaften im Berlin-Comic ›Jein‹ von Büke Schwarz«
Lesung und Gespräch mit der Autorin Büke Schwarz, Christina Ernst und der Comicforscherin Marie Schröer im Rahmen der Comicinvasion 2020
© Comicinvasion
22.11.2020 Audio
»Literatur nach Maß? Markt, Stil und Social Media«
Beitrag über die Veranstaltung »Neue Nachbarschaften. Stil und Social Media in der Gegenwartsliteratur« in der Sendung »Kultur heute« im Deutschlandfunk
© Deutschlandfunk
28.05.2020 Video
»Partner oder Polizei? Über die Zukunft des Zusammenlebens mit Hubots«
Lesung und Diskussion mit Emma Braslavsky (Autorin) und Rainer Mühlhoff (Philosoph, Mathematiker, Programmierer, TU Berlin), moderiert von Hanna Hamel
© Museum für Kommunikation Berlin