Standbild aus »The Seizure of the Iuventa«. Ein Boot im Meer. Auf dem Boot stehen diverse Menschen mit angezogenen Schwimmwesten. Unten links im Bild ein Datum: 18 June 2017. Am unteren Rand des Bildes eine Timeline mit dem Marker 06:20:05.

Politik des Erscheinens

Nach Hannah Arendt können wir politische Existenz nur dadurch gewinnen, dass wir hervortreten, erscheinen und so einen Anfang machen. Konstitutiv für die Sphäre des Politischen ist aber nicht nur das, was erscheint, sondern ebenso das, was dabei verschwindet, was ausgeschlossen oder ausgelagert wird. Das Projekt wendet sich vor diesem Hintergrund performativen und künstlerischen Praktiken zu, die die Bedingungen der Möglichkeit des In-Erscheinung-Tretens sichtbar machen und das Verhältnis von Erscheinen und Verschwinden, von Markiertheit und Unmarkiertheit, von Exposition und Externalisierung kritisch reflektieren. Als Szenen des Erscheinens befragt das Projekt Gerichtsszenen, Rekonstruktionen wie die von Forensic Architecture, transitorische Theatertraditionen von der frühneuzeitlichen Commedia Dell’Arte bis zum postmigrantischen Theater der Gegenwart sowie gegenwärtige Formen der ecopoetics. Anhand der von diesen Szenen gestifteten, stets nur temporären Gemeinschaften will das Projekt auch eine andere Politik des Erscheinens erarbeiten, die aktuelle Ausblendungstechniken durchbricht.

Die Ergebnisse dieses Projekts sollen sich in in einer Serie von drei kleineren Monographien niederschlagen: Nebenklage – Vom Rande des NSU-Prozesses: Politik des Erscheinens I widmet sich dem Erscheinen der Angeklagten und dem Verdrängen der Opfer und Nebenkläger im NSU-Prozess und untersucht künstlerische Strategien, die diese Verdrängung sichtbar machen. Das Lachen der Ophelia: Politik des Erscheinens II beleuchtet die theatralen Implikationen des Erscheinens. Es setzt dafür Shakespeares Ophelia in Bezug zur Commedia dell’Arte und verfolgt ihr Nachleben im postmigrantischen Theater. Wer vertritt Gaia?: Politik des Erscheinens III schließlich wirft die Frage auf, wie nichtmenschliche Wesen, die Erde oder die Natur in Erscheinung treten können. Hierfür wird die gegenwärtige internationale rechtstheoretische Diskussion um die Rechte der Natur auf postkoloniale Debatten und Darstellungsstrategien der ecopoetics bezogen.

 

Abb. oben: Standbild aus »The Seizure of the Iuventa« (2018), Quelle: Forensic Architecture (mit freundlicher Genehmigung)

seit 2021
Leitung: Katrin Trüstedt

Publikationen

Katrin Trüstedt

  • Stateless, on Stage: Elfriede Jelinek’s Die Schutzbefohlenen, in: Ivana Perica, Catriona Corke, Philipp Wegmann (Hg.): The Literary Acts of Agency. Berlin: De Gruyter (im Erscheinen)
  • Prozess des Erscheinens. Vom Rande des NSU-Verfahrens, in: ZfL Blog, 23.3.2022

Veranstaltungen

Vortrag
23.09.2023 · 09.00 Uhr

Katrin Trüstedt: Representing Gaia? Towards a Politics of Appearing

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Normative Orders Building, Max-Horkheimer-Str. 2, 60323 Frankfurt am Main

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Vortrag
02.09.2023 · 10.00 Uhr

Katrin Trüstedt: Politics of Appearing: Pulcinella & Ophelia Are Dead

Garrick’s Temple to Shakespeare, Hampton Court Road, Hampton TW12 2EJ

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Vortrag
06.04.2022 · 16.30 Uhr

Katrin Trüstedt: Representing Gaia

University of Kent, Darwin College, Darwin Conference Suite, Canterbury CT2 7NY, UK / online

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Vortrag
13.11.2021 · 14.00 Uhr

Katrin Trüstedt: Politik des Erscheinens: Hamlets Maschinen und Ophelias Auftritte

Marie-Seebach-Stiftung, Tiefurter Allee 8, 99425 Weimar

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