Lesung
25.05.2011 · 20.30 Uhr

Durchblicke. Literatur im Schauraum der Medizin

Ort: Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité, Campus Charité Mitte, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Hörsaalruine
Organisiert von Ulrike Draesner, Marion Poschmann und David Wagner
Kontakt: Irmela Marei Krüger-Fürhoff, Stefan Willer, Kooperationspartner: Thomas Schnalke, Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité

Programm

Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen, „Nacktscanner“ in Flughäfen oder genetische Screenings in Arztpraxen lassen den Eindruck entstehen, dass unsere Gesellschaft auf dem Weg zum gläsernen Patienten und durchschaubaren Konsumenten ist. Dabei stehen der Verheißung von öffentlicher Sicherheit und individuellem Wohlergehen Ängste vor medialer Überwachung, politischer Kontrolle und ‚diktatorischer’ Gesundheitsfürsorge gegenüber. Gerade die technischen Möglichkeiten, unblutige Einblicke in das verborgene Innere des menschlichen Körpers zu erlangen, haben nicht nur zu neuen Diagnose- und Therapieverfahren geführt, sondern auch zu einer Vielzahl von literarischen und künstlerischen Werken, die sich emphatisch oder kritisch mit Röntgenfotografie, Ultraschall, Endoskopie und Computertomografie auseinander setzen.

Die Lesung mit Podiumsdiskussion und Publikumsgespräch initiiert anlässlich der Ausstellung „Zwillingsbilder“ eine experimentelle Begegnung zwischen Medientechnik, Medizin und Literatur. Die Gedichte, Essays und Erzählungen von Ulrike Draesner, Marion Poschmann und David Wagner hinterfragen das Begehren nach visueller Enthüllung, das darauf vertraut, das ‚wahre Wesen’ des Menschen im Inneren seines Körpers aufspüren zu können. Zugleich zehren sie von der jahrhundertealten Faszination jener Schattengestalten, Doppelgänger und Zwillingsbilder, deren mythische und literarische Traditionen nun von der Medizintechnik aktualisiert werden. Im Spiel mit (Un-) Sichtbarkeit, Unschärfe, der Auflösung vertrauter Wahrnehmungsmuster und der Schaffung neuer Einsichten reflektieren sie die Vielschichtigkeit des Sehens, ja stellen sein Erkenntnispotential in Frage.