Auf schwarzem Grund sind handschriftliche Kringel in verschiedenen Farben – pink, weiß, grün, gelb, rot – übereinander gelegt.
Lesung & Diskussion
10.07.2025 · 19.00 Uhr

Leben und Schreiben im (Berliner) Exil – Belarussische Spurensuchen zwischen Gegenwart und Vergangenheit

Ort: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Eberhard-Lämmert-Saal, Eingang Meierottostr. 8, 10719 Berlin
Organisiert von Nina Weller

Lesung und Gespräch mit Alhierd Bacharevič, Sveta Ben, Olga Bubich, Julia Cimafiejeva, Dmitri Strotsev und Zmicier Vishniou
Ein Abend mit sechs Autor:innen aus Belarus, die aufgrund der Repressionen durch das belarussische autoritäre Regime im Berliner Exil leben
Moderation: Nina Weller (Literaturwissenschaftlerin, ZfL) und Tina Wünschmann (freie Übersetzerin)
Dolmetscherin: Tatsiana Kupreichyk

Wie Tausende andere haben die Autor:innen Alhierd Bacharevič, Sveta Ben, Olga Bubich, Julia Cimafiejeva, Dmitri Strotsev und Zmicier Vishniou seit der brutalen Niederschlagung der Massenproteste gegen das autoritäre Regime Lukaschenka 2020 Belarus verlassen. Eine Rückkehr kommt angesichts des Risikos verhaftet zu werden aktuell nicht infrage. So ist Berlin für sie zum neuen Lebensmittelpunkt geworden – wenn auch mit prekärem Aufenthaltsstatus.

Neben Vilnius und Warschau ist Berlin einer der wichtigsten Orte des belarussischen Exils. Die belarussische Literaturszene hat bereits zarte Wurzeln geschlagen und sich von hier aus international vernetzt. Aber wie lebt, liest und schreibt es sich für belarussische Schriftsteller:innen im Berlin der 2020er Jahre? Wie nehmen die Autor:innen den Lebensalltag in ihren Berliner Nachbarschaften – in Charlottenburg, Hohenschönhausen, Mitte, Neukölln, Wedding oder anderen Stadtteilen – wahr? Wie gestaltet sich das Sprechen und Nachdenken über Literatur in einem Dasein des »Dazwischen«? Gibt es literarische Vorbilder, die ihren Blick auf Berlin als Transit- oder Zufluchtsort prägen? Und welche Spuren vergangener belarussischer Exilgeschichten lassen sich ausmachen?

In insgesamt sechs Lesungen und Gesprächen werden Brücken zwischen Vergangenheiten und Gegenwarten des Berliner Exils geschlagen.

Die Veranstaltung wird gefördert vom Leibniz-Forschungsverbund Wert der Vergangenheit.

 

Alhierd Bacharevič (*1975) – Schriftsteller. Autor von zahlreichen Romanen, Essaybänden und eines Gedichtbandes. Zuletzt erschienen in deutscher Übersetzung neben einigen Essays die Romane Das letzte Buch von Herrn A. (2023, Ü: Alhierd Bacharevič, Andreas Rostek) und Europas Hunde (2024, Ü: Thomas Weiler). Für Europas Hunde erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2025. Bacharevič verließ Belarus Ende 2020 und lebt, nach Stationen in Graz, Chemnitz, Zug und Hamburg, seit Januar 2025 in Berlin.

Sveta Ben (*1975) – Dichterin, Sängerin (der Bands Serebrianaja Svad’ba/Silberne Hochzeit und Mikrokabaret), Schauspielerin, Regisseurin für Puppentheater. Ihre jüngsten Gedichtbände Iz jamki zemljanoj (Aus der Erdgrube) und Bezrabotnoe derevo (Der arbeitslose Baum) erschienen 2024 und 2025, weitere Gedichte in der Anthologie Minskaja Škola (Minsker Schule) (2025). In deutscher Übersetzung erschien im Projekt Weiter Schreiben der Essay Die kantige Sprache des Gartens (2024, Ü: Tina Wünschmann). Ben verließ Belarus 2022 und lebt seitdem in Berlin.

Olga Bubich (*1980) – Essayistin, bildende Künstlerin, Dozentin und Erinnerungsforscherin. Autorin zahlreicher journalistischer und essayistischer Texte zu kulturellen, sozialen, politischen und erinnerungskulturellen Themen. 2021 erschien ihr Fotobuch The Art of (not) Forgetting. Jüngste Veröffentlichungen sind u.a. die Essays Touching Memories in the Choir of Speaking Voids (2023), Allzu perfekte Opfer (2025, Ü: Steffen Vogel) und Memory for Sale (2025). Bubich verließ Belarus im Sommer 2021 und lebt seit Dezember 2022 (bis 2024 als ICORN-Stipendiatin) in Berlin.

Julia Cimafiejeva (*1982) – Schriftstellerin, Lyrikerin, Übersetzerin. Autorin von fünf Gedichtbänden und des Dokumentarbuchs Minsk. Diary (2020). Ihr jüngster Gedichtband Krovazvarot (Blutkreislauf) erschien im Mai 2025 in Warschau. Zuletzt in deutscher Übersetzung: Der Angststein. Gedichte (2022, Ü: Tina Wünschmann u.a.) und Minsk. Die Stadt, die ich vermisse. Fotografie Gedichte (2022). Cimafiejeva verließ Belarus im November 2020 und lebt seither im Exil in unterschiedlichen europäischen Städten. Seit Januar 2025 ist sie Stipendiatin des DAAD-Künstlerprogramms in Berlin.

Dmitri Strotsev (*1963) – Dichter und Verleger. Autor von 16 Gedichtbänden, Leiter des Literatur- und Verlagsprojekts Novyje Mechi (Neue Pelze), Herausgeber des Almanachs und der Lyrikreihe Minskaja Škola (Minsker Schule). Er ist Gründer und Leiter des in Berlin ansässigen Verlags hochroth Minsk. In deutscher Übersetzung liegen der Essay Minsker Schule: Innere Übersetzung und Mission (2022, Ü: Ruth Altenhofer), Das Bienenhaus. Gedichte (2023, Ü: Andreas Weihe) und Poetische Reportage (2025, Ü: Andreas Weihe) vor. Strotsev verließ Belarus im August 2021 und lebt seit August 2023 in Berlin.

Zmicier Vishniou (*1973) – Schriftsteller, Dichter, Künstler, Verleger (des früheren Verlags Halijafy). Autor zahlreicher Gedicht- und Prosabände. In deutscher Übersetzung erschienen der Roman Das Brennesselhaus (2010, Ü: Martina Jakobson) und die Essays Der Körper des poetisch-politischen Emigranten (2023) und Das Wort im Rucksack (2024, Ü: Nina Weller). Seine neueste Gedichtsammlung Ununtergeordnetes und sein Roman Ich bin das Fleisch, das Zmicier zubereitet hat (2025) erscheinen demnächst auf Deutsch. Vishniou verließ Belarus im Jahr 2022 und lebt seitdem in Berlin.