Conference
08 Oct 2025 – 10 Oct 2025

Stil und Moral

Venue: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Eberhard-Lämmert-Saal, entrance Meierottostr. 8, 10719 Berlin
Research project(s): Style. Past and Present

Literarische und ästhetische Debatten wurden in der deutschen und ›westlichen‹ Öffentlichkeit der letzten Jahre häufig unter moralischen Gesichtspunkten geführt. Dafür mögen Identitätspolitik und Aktivismus verantwortlich sein; aber niemand kann bezweifeln, dass die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Krisen auch eine moralisch-ethische Dimension haben. Gleichwohl wird im literaturwissenschaftlichen Feld skeptische Distanz zu moralischen Anforderungen weiterhin gepflegt. Dabei beruft man sich auf die lange gängige Überzeugung, dass im Medium der Literatur ›verpackte‹ Überzeugungen zulasten literarischer Könnerschaft gehen.

Im Brennpunkt solcher Debatte steht deshalb häufig der literarische Stil. Er ist Statthalter einer Idee von ästhetischer Autonomie, zu der wesentlich das Recht gehört, moralische Ansprüche abzuwehren. Diesem Autonomiekonzept zufolge hat sich die Literatur ›um 1800‹ nicht nur von Rhetorik und Religion gelöst, sondern auch moralische Erwartungen systematisch abgewiesen. Aber so einfach ist es freilich nie gewesen. Zwischen ästhetischen Wertungen und moralischen Werten herrschen seit Langem (auch schon bei Kant) komplexe, aber tabuisierte Zusammenhänge, die heute neu in den Blick treten. Das nimmt unsere Tagung zum Anlass, das Verhältnis von Stil und Moral in exemplarischen historischen Konstellationen neu zu vermessen. Neben Fallstudien zu einzelnen Autor:innen sollen auch literarische Strömungen und Diskurse in den Blick genommen werden. Seit wann und in welchen Kontexten geraten Stil und Moral überhaupt in Spannung? Wie verhalten sie sich zueinander in der Literatur um 1800, in der Volksaufklärung, nach 1945 und in der Gegenwartskultur? Ist der moderne Diskurs über das Böse – von Sade über Baudelaire bis zu Rimbaud oder Céline – ein emphatischer Stil-Diskurs? Welche literarischen Gattungen und Formen sind für die Darstellung einer Spannung von Stil und Moral besonders geeignet?