Erforschung des Carlo-Barck-Archivs. Außereuropäische Bezüge in der Konzeption der »Ästhetischen Grundbegriffe«
Die Ästhetischen Grundbegriffe (ÄGB), die am ZfL erarbeitet wurden und zwischen 2000 und 2005 in sieben Bänden erschienen sind, zählen neben Reinhart Kosellecks Geschichtlichen Grundbegriffen und Joachim Ritters Historischem Wörterbuch der Philosophie zu den bedeutendsten begriffsgeschichtlichen Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts. Der geschäftsführende Herausgeber Karlheinz »Carlo« Barck (1934–2012) war von Beginn an die zentrale Figur des Wörterbuchprojekts. Bereits in den 1980er Jahren begonnen, handelt es sich um eines der wenigen im DDR-Kontext entstandenen wissenschaftlichen Projekte, die nach 1989 fortgeführt wurden. Somit ist es ein wichtiges Zeugnis der Wissenschaftsgeschichte zwischen Ost- und West-Deutschland.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Wörterbuchprojekten streben die ÄGB keine Begriffsgeschichte im herkömmlichen Sinne an, sondern sind um eine Neukonstitution der Wissensordnung bemüht: Nicht die historische Erklärung von Begriffen steht im Mittelpunkt, sondern das Aufzeigen aktueller Problemzusammenhänge anhand der Identifikation von ›Grundbegriffen‹. Diese werden in der Einleitung als »semantische Schauplätze sozialer Wertbildungen« und »Indizien sozialer Zusammenhänge« verstanden und mit Blick auf ihre »interdisziplinäre und europäische Perspektive« beschrieben. Entgegen dieses explizit europäischen Bezugsrahmens weist jedoch nicht nur das gedruckte Werk erstaunlich viele Bezüge auf außereuropäische Konzepte und Autor*innen auf. In den Archivmaterialien finden sich, wie eine erste Stichprobe gezeigt hat, zahlreiche Bezüge und Kontakte vor allem zu Autor*innen aus Süd- und Mittelamerika.
Mit Blick auf die Frage, welche Rolle außereuropäische Konzepte und Autor*innen im Verlauf der über zwanzigjährigen Arbeit am Wörterbuchprojekt gespielt haben, wurden in diesem Projekt die bislang unerschlossenen Materialien zur Konzeption und Edition der ÄGB am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin untersucht, darunter die Korrespondenzen mit den Autor*innen und zwischen den Herausgebern (Martin Fontius, Dieter Schlenstedt, Burkhart Steinwachs und Friedrich Wolfzettel) sowie Konzeptpapiere, um das Potential der Archivmaterialien auszuloten und ein größeres Forschungsprojekt anzubahnen.
Publikationen
Lydia Schmuck
- »Hiervon nichts wegwerfen« – Wissenschaftsgeschichte im Systemwechsel, Gastbeitrag zur Themenseite Systemwechsler der virtuellen Ausstellung Wie Literatur Welt+Politik macht
- Die Verleger als Bastler – Heidi Paris 1989 an Karlheinz Barck und Stefan Richter, Gastbeitrag zur Themenseite Ost-West der virtuellen Ausstellung Wie Literatur Welt+Politik macht
- Gewandelte statt gewendete Wissenschaft: Karlheinz Barck zur deutschen Wissenschaftsunion nach 1989, Gastbeitrag zur Themenseite Ost-West der virtuellen Ausstellung Wie Literatur Welt+Politik macht
Frühere Beiträge aus dem Umfeld des Projekts:
- Der Nachlass Karlheinz Barck im Deutschen Literaturarchiv Marbach: erste Einblicke, in: Geschichte der Germanistik 53/54 (2018), 167–171
Veranstaltungen
Lydia Schmuck: Maria Bambergs Übersetzungen von Carlos Fuentes zwischen Ost und West
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Slawistik und Hungarologie, Dorotheenstr. 65, 10117 Berlin, Raum 5.57
Lydia Schmuck: Ästhetik als »Denkweise und Denkstil«. Die Ästhetischen Grundbegriffe und das Konzept transversalen Wissens von Carlo Barck
Universität Erfurt, Audimax-Gebäude (AMG), Nordhäuser Str. 62, 99089 Erfurt
Lydia Schmuck: Avantgarde als ›neue Ästhetik‹. Zur Bedeutung des Begriffs in der Konzeption der ›Ästhetischen Grundbegriffe‹ von Carlo Barck
Universidade Nova de Lisboa, Faculdade de Ciências Sociais e Humanas, Avenida de Berna, 26C, Lissabon