Kleine Literatur als Weltliteratur. Literatur als Medium der Emanzipation

Das Projekt entwickelt eine neue Sicht der Weltliteratur aus der Perspektive der kleinen Literatur. Wurde kleine Literatur konventionell oft als eine Literatur kleiner Nationen oder minoritärer Sprachen verstanden, wird sie hier als Ausdruck sozial, kulturell oder national unterdrückter oder marginalisierter Gruppen begriffen. Dazu gehören v.a. proletarische, antikoloniale und feministische Literaturen, die oft als Mittel der Emanzipation betrachtet werden.

Die Verbindung von Literatur und emanzipatorischen Bewegungen reicht weit in die Literaturgeschichte zurück, doch erst im frühen 20. Jahrhundert wurden solche Verbindungen konsequent in das literarische Selbstverständnis eingetragen und damit poetik- und theoriefähig. Geschuldet war dies der globalen Emergenz von emanzipatorischen Bewegungen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert entstanden weltweit unterschiedliche Befreiungsbewegungen, darunter der Kampf für das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung der Geschlechter, die emanzipatorischen Nationalbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg, die Oktoberrevolution, die Welle der Entkolonialisierung in Asien und Afrika sowie die Forderung nach einer politischen Gleichstellung ethnischer und religiöser Minderheiten. Im Rahmen dieser Emanzipationsbestrebungen spielte Literatur eine zentrale Rolle. Das Projekt untersucht daher die Bedeutung, die Funktion und die historischen Voraussetzungen eines emanzipatorischen Literaturbegriffs und ihre Auswirkungen auf das Verständnis der Weltliteratur. Im Mittepunkt stehen proletarische, feministische und antikoloniale Texte.

Durch die Konzeptualisierung der kleinen Literatur als emanzipatorische Literatur unterdrückter, marginalisierter, aber auch verfemter Gruppen zielt das Projekt darauf ab, eine innovative und gegenhegemoniale Interpretation der Weltliteratur zu entwickeln. Der lange  – und lange vorschnell – diskreditierte Universalismusanspruch der Literatur soll im Zuge dessen neu überprüft werden.

seit 2024