1968 – zum Nachleben und Erbe einer Generation
Programm
Vierzig Jahre danach streitet man sich um die Deutungshoheit über
1968, wie immer dann, wenn eine Generationskohorte ihr historisches und
kulturelles Erbe zähneknirschend der Nachwelt überantworten muss. Die
Mühlen der Geschichte haben 1968 längst zu einem Erinnerungsort, einer
Chiffre abstrahiert. Schon auf dem "Erinnerungsmarkt 1988" nahm Klaus
Briegleb die Konjunktur des "Zahlensymbols '1968'" wahr, und Peter von
Becker konstatierte ein Jahrzehnt danach, 1968 sei "zu einem unscharfen
Schlagwort geworden, das einen zu Dreivierteln verblichenen Zeitgeist,
ein nicht sehr genau bestimmtes historisches Datum und, erweitert um das
Attribut Bewegung, eine ganze (halbe?) Generation bezeichnet."
Heute,
wiederum ein Jahrzehnt später, erweist sich die Jahreszahl noch immer
als Reizwort. Manches wird erst aus der Distanz klarer sichtbar, Anderes
verschwimmt im Nebel nostalgischer Verklärungen oder polemischer
Ausfälle. Die Selbsthistorisierung der sich nun zur Ruhe setzenden
Generation muss sich zunehmend Zwischenrufe ihrer Nachkommen gefallen
lassen. Das kann für die 68er nicht ohne Schmerzen abgehen, besonders
dann nicht, wenn Verballhornungen und Überzeichnungen genutzt werden, um
sie als APO-Opas und – ausgerechnet deren Vorwurf an die eigene Eltern-
und Kriegsgeneration zitierend – 'Ewig Gestrige' vorzuführen.
Anlässlich des Erscheinens der Anthologie 1968. Kurzer Sommer – lange Wirkung. Ein literarisches Lesebuch,
hg. von Andreas Pflitsch und Manuel Gogos, dtv 2008, lesen die Autoren
Emine Sevgi Özdamar und Moritz Rinke und diskutieren mit den
Herausgebern über Nachleben und Erbe der 68er.