Franziska Thun-Hohenstein und Irina Scherbakowa stehen nebeneinander vor einem Fenster, hinter dem eine Baustelle zu sehen ist, und lächeln in die Kamera.
Buchpräsentation mit Irina Scherbakowa und Franziska Thun-Hohenstein
20.01.2026 · 18.30 Uhr

Politik und Biographik

Ort: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Eberhard-Lämmert-Saal, Eingang Meierottostr. 8, 10719 Berlin
Organisiert von Dirk Naguschewski

Anlässlich des Erscheinens von Irina Scherbakowas Buch Der Schlüssel würde noch passen. Moskauer Erinnerungen (München: Droemer Knaur 2025) sprechen die Historikerin, Publizistin und Schriftstellerin und die Literaturwissenschaftlerin Franziska Thun-Hohenstein über den Zusammenhang von Politik und Biographik.

In ihrem Buch verknüpft Irina Scherbakowa Erinnerungen an ihr Moskauer Leben während der letzten drei Jahrzehnte mit Rückblicken auf ihr langjähriges Engagement, die Lebensgeschichten von Opfern des stalinistischen Terrors publik zu machen. Das autobiographische Buch ist deshalb in gewissem Sinne auch eine Biographie der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, die auf Beschluss des Obersten Gerichtshofs Russlands Ende 2021 liquidiert wurde, ihre Arbeit aber mittlerweile im Exil fortsetzt.

Das Gespräch berührt auch Fragen in einem weiteren Horizont: Ist der Einfluss der Politik auf das Leben des Menschen in Russland übermächtig? Ist Propaganda stärker als Aufklärung? Kann Biographik ein Instrument des Widerstands gegen Manipulation sein? Kann man – angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung Putins großen Krieg gegen die Ukraine unterstützt – vom Versagen der russischen Intelligenzija sprechen?

Mit freundlicher Unterstützung des Droemer Knaur Verlags.

Irina Scherbakowa ist eine russische Historikerin, Germanistin und Mitbegründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial. Seit den 1980er Jahren erforscht sie die Geschichte des Stalinismus, politische Repressionen in der Sowjetunion sowie Formen individueller und kollektiver Erinnerung. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der deutsch-russischen Erinnerungsgeschichte. Scherbakowa gilt als eine der wichtigsten Stimmen der russischen Zivilgesellschaft und lebt heute im Exil. Sie ist vielfach ausgezeichnet worden, zuletzt u.a. mit dem Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung und Versöhnung (2022) und dem Hambacher Freiheitspreis 1832 (2024). Memorial wurde 2022 gemeinsam mit dem belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bialiatski und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 2010 ist Irina Scherbakowa Honorary Member des ZfL.

Franziska Thun-Hohenstein ist u.a. Autorin von Gebrochene Linien. Autobiographisches Schreiben und Lagerzivilisation (Berlin: Kulturverlag Kadmos; 2. verb. Auflage 2014) und Das Leben schreiben. Warlam Schalamow: Biographie und Poetik (Berlin: Matthes & Seitz 2022). Seit 2007 ist sie Herausgeberin der deutschsprachigen Werkausgabe von Warlam Schalamow. Thun-Hohenstein hat an der Lomonossow-Universität Moskau studiert und in Berlin promoviert. Sie war langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZfL und ist dort heute Senior Fellow.

 

Abb. oben: Franziska Thun-Hohenstein und Irina Scherbakowa, © Matthias Stief