Diverse verschobene, unscharfe Buchstaben auf weißem Papier in chaotischer Anordnung. Die meisten sind kaum zu erkennen.

Theoriebildung im Medium von Wissenschaftskritik

›Theorie‹ als Inbegriff verschiedener Diskurse zwischen den 1960er und 1990er Jahren wird bis heute verschiedentlich mit einem antiwissenschaftlichen oder zumindest antiakademischen Affekt assoziiert, der in die Vergangenheit zurückweist. Diese Vorgeschichte der Theorie im Zusammenhang mit der um 1900 prominenten ›Krise der Wissenschaften‹ stand im Zentrum des Projekts. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Affinität der Theorie zur Literatur, denn schließlich fühlt sich Theorie genau wie Literatur zuständig für alles diskursiv oder begrifflich nicht unmittelbar Einholbare. Das Projekt untersuchte die in bestimmten Rhetoriken, Metaphoriken, Darstellungsmodi oder gar Medien kanonisierten Denkstile, mit denen Autoren oder Gruppen ihre prekäre Position zu stabilisieren suchen. Dazu gehörten sowohl Rekurse auf nichtwissenschaftliche Autoritäten wie Lehrer, Propheten oder Heroen als auch solche auf nicht fachlich organisierte Denkfiguren wie das Tragische oder das Dämonische. Deutliche Schwerpunkte bildeten der George-Kreis, das Werk Georg Lukács’ und Semantiken der Berührung (im Gegensatz zur Visualität) in theoretischen Texten des frühen 20. Jahrhunderts.

Den systematischen Fluchtpunkt des Projekts bildeten Probleme der Adressierung und die Frage nach immanenten oder imaginären Adressaten theoretischen, essayistischen und philosophischen Sprechens. Wer wird anhand theoretischer Texte mit welchen Mitteln wohin geführt? Von besonderem Interesse war hierbei die Spannung zwischen emanzipatorischen und kultischen Strategien und den ihnen immanenten Sozialmodellen der Theorie.

 

Abb. oben: D.M. Nagu

Programmförderung Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2017–2019
Bearbeitung: Andrea Erwig, Claude Haas, Gerhard Hommer

Publikationen

Andrea Erwig, Johannes Ungelenk (Hg.)

Berühren Denken

LiteraturForschung Bd. 40
Kulturverlag Kadmos, Berlin 2021, 314 Seiten
ISBN 978-3-86599-497-4
Patrick Eiden-Offe

Hegels ›Logik‹ lesen
Ein Selbstversuch

Matthes & Seitz, Berlin 2020, 250 Seiten
ISBN 978-3-75180-302-1
Claude Haas, Daniel Weidner (Hg.)

Über Wissenschaft reden
Studien zu Sprachgebrauch, Darstellung und Adressierung in der deutschsprachigen Wissenschaftsprosa um 1800

Lingua Academica Bd. 4
de Gruyter, Berlin 2020, 263 Seiten
ISBN 978-3-11-067662-4 (Print), 978-3-11-067663-1 (E-Book PDF, Open Access), 978-3-11-067665-5 (E-Book EPUB, Open Access)
Andrea Erwig, Sandra Fluhrer (Hg.)

Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater

Komparatistik Online, Ausgabe 2019
Gießen 2019, 168 Seiten
ISSN 1864-8533
Claude Haas, Johannes Steizinger, Daniel Weidner (Hg.)

Goethe um 1900

LiteraturForschung Bd. 32
Kulturverlag Kadmos, Berlin 2017, 291 Seiten
ISBN 978-3-86599-349-6

Patrick Eiden-Offe

  • »Eigenes« und »Lebendiges«: Hölderlins »deutscher Gesang« um 1800, in: Claude Haas, Daniel Weidner (Hg.): Über Wissenschaft reden. Studien zu Sprachgebrauch, Darstellung und Adressierung in der deutschsprachigen Wissenschaftsprosa um 1800. Berlin: de Gruyter 2020, 235–263
  • Revolution oder Reform? Versuch einer Standortbestimmung, 50 oder 100 Jahre danach, in: Berliner Theologische Zeitschrift 2 (2019), 164–179
  • Umgang mit Kritischer Theorie. Christa Bürgers und Peter Bürgers Weg durch die Kritische Theorie (und zurück), in: Tanja Angela Kunz (Hg.): Lebensform Kritik. Zu Theorie und Praxis von Christa Bürger und Peter Bürger. Göttingen: Wallstein 2018, 31–44
  • Typologie und Krise: Fichte in Lukács, in: Rüdiger Dannemann, Maud Meyzaud, Philipp Weber (Hg.): Hundert Jahre »transzendentale Obdachlosigkeit«. Georg Lukács’ »Theorie des Romans« neu gelesen. Bielefeld: Aisthesis 2018, 211–228
  • Auf dem Weg zur reinen Kritik. Die Junghegelianer als Bewegung, in: Mittelweg 36 4–5 (2017), 47–68

Andrea Erwig

  • »Das Lied hat ... Hand und Fuß«. Heines taktile Politik, in: Arcadia, Sonderheft: Literature and the Politics of Touch (in Vorbereitung)
  • »Fernnähe«. Rilkes Poetik und Sozialität des Taktilen – mit Exkursen zu Simmel und Plessner, in: Sandra Fluhrer, Alexander Waszynski (Hg.): Tangieren. Szenen des Berührens. Baden-Baden: Rombach 2020, 45–68
  • Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater, in: Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater, Komparatistik online 1 (2019), hg. von Andrea Erwig, Sandra Fluhrer (mit Sandra Fluhrer)
  • »wie Menschen, die uns ergreifen und uns entgleiten«. Berührungszonen von Theorie und Literatur in frühen Texten Robert Musil, in: Sprachkunst 1 (2019), Sonderheft: Lesen denken. Lektüre und/als Theorie, hg. von Caroline Bohn, 61–94

Claude Haas

Veranstaltungen

Vortrag
10.09.2019 · 13.15 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Klassenbewusstsein oder Klassismus? Vorschläge für eine Debattenkorrektur

Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestr. 125, 10115 Berlin

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Vortrag
07.05.2019 · 11.30 Uhr

Andrea Erwig: Poetiken des Wartens

Università degli Studi di Milano, AULA 113, Via Festa del Perdono 7, 20122 Milano

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Vortrag
28.01.2019 · 16.15 Uhr

Andrea Erwig: »Das eine weiß ich bestimmt: wir warten! Das ist unser Wert.« Robert Walsers Heldentum

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Hebelstr. 25, 79104 Freiburg

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Vortrag
12.11.2018 · 18.00 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Die Erfindung von Theorie fürs 20. Jahrhundert. Georg Lukács und die »Theorie des Romans«

Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin, Hauptgebäude, Hörsaal 2002

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Vortrag
07.11.2018 · 18.00 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Peripherie und Zentrum in der Literatur- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts. Ernst Willkomm und Immanuel Wallerstein im Gespräch

Masaryk-Universität Brno, Arne Nováka 1, Raum D21

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Vortrag
16.10.2018 · 12.30 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Wissenschaft, Theorie und Ironie: Lukács' Entscheidungen

ELTE BTK Múzeum korút 4/A „Kari Tanácsterem” 1088 Budapest (Ungarn)

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Vortrag
04.10.2018

Claude Haas: Gebannte décadence? Stefan Georges Baudelaire-Übersetzungen

Universität Zürich, Deutsches Seminar, Schönberggasse, 98001 Zürich (CH)

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Vortrag
18.07.2018 · 18.00 Uhr

Andrea Erwig: Warten. Denken im Zwischenraum in Literatur und Theorie des frühen 20. Jahrhunderts

Freie Universität Berlin, Holzlaube, Fabeckstraße 23-25, 14195 Berlin, 2. 2058/59

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Vortrag
14.07.2018 · 11.30 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Gibt es eine Poesie der Abstiegsgesellschaft? Literatur, Theorie, Film

Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, Martin-Luther-Straße 14, 17489 Greifswald

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Antrittsvorlesung
10.07.2018 · 16.15 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Theoriegeschichte?

Universität Duisburg-Essen, Forsthausweg 2, 47057 Duisburg, Raum V13 S00 D50

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Vortrag
18.06.2018 · 20.00 Uhr

Patrick Eiden-Offe: Klassenkampf in der Theorie. Klassentheorie und Klassenpolitik bei Marx

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Soziologie, Rempartstr. 15, 79098 Freiburg im Breisgau

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Diskussion mit Luise Meier und Patrick Eiden-Offe
17.05.2018 · 20.00 Uhr

Die MRX-Maschine. Marx ausbuddeln, Proletariat einrühren, Geschlecht aufmischen...

k-fetisch, Wildenbruchstraße 86, 12045 Berlin

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Vortrag
27.04.2018 · 11.00 Uhr

Claude Haas: »Keine Zeit, Zeit zu haben.« Überlegungen zur politischen Dramaturgie Jean Racines

Universität Zürich, Abteilung für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (AVL), Plattenstrasse 43, 8032 Zürich (CH)

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Vortrag
12.12.2017

Claude Haas: »Der König wartet, und es harrt das Volk«. Überlegungen zur Dramaturgie des Volks in der ›klassischen‹ Tragödie

Universität Konstanz, Universitätsstraße 10, 78464 Konstanz, Raum G 306

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