Theorie und Konzept einer interdisziplinären Begriffsgeschichte

Das Projekt bearbeitete im Rahmen einer interdisziplinären Geschichte des Theoriebegriffs disziplinen- und diskursübergreifende Begriffe und ihre Geschichte in der Neuzeit und der Moderne. Einen aktuellen Ausgangspunkt bildeten die Diskussionen um das Ende des Theoriezeitalters bzw. zum Bedeutungsverlust des emphatischen Theoriebegriffs der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die im Spannungsverhältnis sowohl zu einer längeren Geschichte des Begriffs wie zum anhaltenden Interesse an Theorien stehen. Die Aufarbeitung der Transformationen der historischen Semantik von ›Theorie‹, der Wechselbeziehungen der Theoriebegriffe in verschiedenen Disziplinen und der vielfältigen institutionellen Einbindungen der Theoriebegriffe leistet einen Beitrag zur historischen Selbstaufklärung der Gegenwart, der dem Theoriebegehren neue Perspektiven zu erschließen versucht.

Im Forschungsschwerpunkt Theoriegeschichte kam dem Projekt eine Art Scharnierstelle zu. Einerseits nahm es Anregungen aus den mit Theoriebegriffen hantierenden Einzelprojekten auf, andererseits konnte es durch die Erhellung von verdeckten historischen Konnotationen und Problembezügen der Theoriebegriffe produktive Anstöße geben. Da um 1800 der Theoriebegriff dazu diente, neue Gegenstände in den sich differenzierenden Wissenschaften zu reflektieren, die durch die universalistische Philosophie nicht mehr erfasst werden, trug die Aufarbeitung der Theoriegeschichte zugleich zur Vorbereitung eines umfangreicheren begriffsgeschichtlichen Wörterbuchs zum 20. Jahrhundert bei.

Das Projekt basierte auf den langjährigen ZfL-Forschungen zur Begriffsgeschichte, die zu dem kritischen Kompendium Begriffsgeschichte und historische Semantik (1027 S., Suhrkamp Verlag 2016) geführt haben. Darin erfolgen eine methodisch-theoretische Auswertung der großen Begriffsgeschichten (Philosophie, Geschichte etc.) und mit Bezug auf die Felder Philosophie, Geschichtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Sprachwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte und Kulturwissenschaft eine Analyse der Diskussionen im Spannungsfeld von Begriffs-, Metaphern- und Diskursgeschichte.

Weitere Arbeitsformate des Projekts:

• eine Online-Arbeitsplattform für das Wörterbuch und zur Veröffentlichung von Materialien zur Begriffsgeschichte, die ein ›work in progress‹ auf der Basis einer Wiki-Software erlaubt.
• das E-Journal Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte (FIB), das halbjährlich erscheint und längere Beiträge, aber auch Miszellen und Debatten publiziert. Die Publikationssprachen sind Englisch und Deutsch.
• eine Veranstaltungsreihe unter gleichem Namen, in der Arbeiten zur Begriffsgeschichte diskutiert wurden (2008–2013).

Seit 2012 war das Projekt Teil der internationalen Forschungsgruppe der Universität Valencia Historia Conceptual y crítica de la Modernidad, die sich vorrangig mit Fragen zur Geschichte und Internationalisierung der Begriffsgeschichte beschäftigt. Die Forschungsgruppe wird bis 2021 durch das spanische Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium gefördert (Fördernummer FFI2017-82195-P).

Seit September 2019 war das Projekt Kooperationspartner des Projektes Spiegel und Licht des Departements für deutsche Sprache und Literatur der Universität Genf.

Abb. oben aus: 1899–1999. 100 Jahre RWE-DEA. Hamburg 1999, S. 38/39